Kurz nach der Geburt unseres ersten Sohnes sagte der Kinderarzt zu uns: „Ich gebe Ihnen einen Tipp, leben sie mit Kindern und nicht für sie.“ Seitdem versuche ich mich an die ärztliche Order zu halten, stolpere aber täglich in gesellschaftliche Widersprüche. Linker Aktivismus, freier Journalismus, (Underground-)Medienarbeit und ein Veranstaltungsbetrieb sind insbesondere zeitlich sehr anfordernd und kaum effektiv vorausschauend zu planen. Andere Eltern führen Excel-Sheets für das übernächste Jahr mit Urlaubs-, Freizeit- und Schuldaten, aber ich weiß eigentlich nie so genau, was am nächsten Tag passieren wird und wie es passieren wird. Heimlich schiebe ich deshalb die Betreuungspflichten gerne meiner Lebensgefährtin zu. Typisch Mann! Es ist halt nicht einfach, ein freiberufliches Leben auch für die Kids mitzuplanen. Sicherlich, sie haben auch Ideen für Veranstaltungen, das Thema „Paw Patrol trifft auf Dinosaurier“ ließ sich allerdings bisher noch nicht sinnvoll anbringen.
Auf den Shows hängen die Kinder dann den Nachmittag über rum und wissen meist nicht so genau, wohin mit sich. Einerseits denke ich mir, es ist gut für sie, möglichst früh in Kontakt mit Kunstkreisen zu kommen und zu sehen, wie normal alles ist. Das hat vermutlich mit meiner eigenen, kunstfernen und kleinbürgerlichen Kindheit zu tun. Als ich das erste Mal, als Teenager mit festem Willen, Kunst zu studieren, in die Düsseldorfer Kunstakademie trat, dachte ich, ich fall tot um, wenn mich hier wer anspricht. Auch bilde ich mir ein, es sei nie zu früh, kritisch zu sein und verschiedene Meinungen und Lebensstile zu erleben, auch wenn ein Kind mit nicht einmal vier Jahren das meiste davon nicht verstehen kann.
Viele Menschen freuen sich ja auch, wenn man – insbesondere als Mann – süße und aufgeweckte Kinder im Schlepptau hat. Manchmal fängt man sich aber auch einen schrägen Seitenblick ein und hört leise: „Die Kinder tun mir leid.“ Okay, verstehe, nur gibt es manchmal eben keine greifbare Kinderbetreuung und es wäre auch absurd, anderen für die Betreuung mehr Geld zu bezahlen, als man selbst mit dem Gig verdient. „Fairpay“ für die Kulturarbeiter*innen geht sich mit dem Rechnungsposten „Kinderbetreuung“ eigentlich niemals aus.
Das sind so Lappalien. Seltsam und mitunter schmerzhaft sind die kaum zu vereinbarenden Lebenswelten. Hier denke ich mir allerdings, es geht allen Eltern ähnlich, egal ob sie Arbeiter*innen oder Amtsrichter*innen sind. Ich kann meinen Kindern kaum erklären, was ich da überhaupt den ganzen Tag mache. Sie haben dann manchmal einen Zorn und wollen mir den Computer zuklappen: „Schluss mit der Arbeit!“, während sie an anderen Tagen mit dem Spielzeug-Laptop und alten Spiegelreflexkameras Reporter spielen. Was mich an unserer wunderbaren Scheißsociety aber am meisten ärgert, ist, dass ich meinen Kindern kaum hinterher darf. Gerne hätte ich die Zeit, ihnen zu folgen, wenn sie als Räuberbande ins Gebüsch des Augartens stürmen. Sich laut kreischend vor Glück mit Stöcken bewaffnen, Hütten bauen und nach gefährlichen Monstern Ausschau halten. Die Kleinen bauen sich jeden Nachmittag eine reiche und schillernde Welt aus Fantasie und Kieselsteinen. Ich stehe daneben, unendlich weit entfernt, und denke an meinen nächsten Abgabetermin.