Das Hinterland ist längst nicht mehr das, was es einmal war, trotzdem zieht es viele Linke in die Stadt. Gerade in Österreich scheint es zumindest für eine Zeit lang ansprechend, sich in linken Räumen bewegen und sein Links-Sein ausdifferenzieren zu können. Doch die Stadt ist alles andere als kinderfreundlich. Fehlende und zu teure Betreuungsmöglichkeiten, kaum leistbare und beengte Wohnverhältnisse oder auch das allseits vorherrschende Auto als Gefahrenquelle machen sich lautstark bemerkbar, wenn kleine Kinder im Spiel sind. Viele würden sich für das Kind wünschen, dass es sich selbst autonom erleben kann, müssen es aber auf Schritt und Tritt begleiten, bis es den Straßenverkehr selbst überblicken lernt. Klar gibt es Wohneinheiten, die mit Hof ausgestattet sind, oder verkehrsberuhigte Zonen, aber der Platz bleibt gering.
Was einen an der Stadt reizte, die schier unbegrenzten Möglichkeiten an jeder Ecke, schrumpfen in sich zusammen, wenn selbst ein Ausflug an die Donauinsel zur Ganztagsreise anwächst. Den halben Hausrat eingepackt und endlich losgekommen, ist man unmittelbar nach der Ankunft schon wieder fertig mit den Nerven, bevor die Entspannung begonnen hat. Für das nächstes Mal wird sich mental schon auf eine der nahegelegenen Zehn-Quadratmeter-Grünzellen eingestellt – ewige Weiten.
Die Stadt ist ein möglicher, nicht notwendiger Raum. Linke Communitys sind aber teilweise selbst alles andere als kinderfreundlich. Nicht wenige Male hört man den Spruch: „Ich mag keine Kinder.“ Stellen wir uns dasselbe mit race, dis*ability, class oder gender vor, wäre dieser gruppenbezogene Menschenhass nicht möglich, geschweige denn „cool“. Eh klar, ihr wollt selbst keine Kinder und findet die ganze Reproduktions-ideologie des Staates scheiße, wollt nicht auf euer Fortpflanzungsorgan reduziert werden, findet Care-Arbeit anstrengend, sie wird noch nicht mal entlohnt, und ausgebeutet werdet ihr schon genug. Dann sagt es doch so.
Linke Räume sind strukturell schwer zugänglich für Kinder und Menschen mit Betreuungsaufgaben, denn viel spielt sich abends ab: nach der Arbeit, nach dem Ausschlafen, dem Chillen oder nach dem Studieren. Abends schmeckt auch der Alkohol besser – das wohlbekannte Schmiermittel, das uns sozial etwas entspannter werden lässt. Dass dies aber einen Ausschließungsmechanismus darstellt, rückt erst langsam ins Bewusstsein. Egal ob Plenum, Lesung oder Konzert, Teilhabe bedeutet für die einen kaum Aufwand, während die anderen frustriert zu Hause bleiben. Dass hier kein Ausgleich angestrebt wird, ist nicht nur der Lohnarbeit geschuldet, sondern der fehlenden Achtsamkeit. Theoretiker*innen und Ansätze gäbe es genug, wie Clara Zetkin schon vor 100 Jahren beweist.
Was zurückbleibt, ist Frustration. Frustration darüber, keine Stimme zu haben. Frustration darüber, dass Care-Arbeit auch in linken Kreisen keine Wertschätzung erfährt. Schlimmstenfalls hat man die neoliberale Selbstverwertungslogik so verinnerlicht, dass es sich selbst zugeschrieben wird, wenn der linke Aktivismus aufgrund von zeitlicher Knappheit weniger wird, anstatt unsolidarische Strukturen dafür verantwortlich zu machen.
Kinder spielen in Teilen der Linken keine Rolle, wie auch, wenn sie nicht sichtbar sind? Mensch wähnt sich in der kinderlosen Bubble sicher, weiß, dass es sie gibt – aber nicht hier. Dann wird es schon zu etwas Besonderem, so sie dann doch auftauchen. Die „Ich mag keine Kinder“-Partie mag noch überrascht sein, dass sie keine Mini-Mes sind, sondern eigene Wünsche und Bedürfnisse haben. Das kann dann auch mal überfordern – völlig okay. Was ärgert, ist die pauschalisierte Ablehnung von etwas oder jemandem, weil es ungewohnt ist. Xenophobie nennt sich das. Es ist fehlende Interaktion und somit Gewohnheit, die hier intergenerationale Gräben schlagen.
Es geht nicht darum, Fortpflanzungs- und Familienideologien zu reproduzieren, sondern darum, einen Raum zu kreieren, der nicht von Ausschlüssen gekennzeichnet wird. Schön wäre es, wenn wir mit Kindern leben und sie keine Randerscheinung bleiben – so bilden sich Care-Netzwerke; das ist Solidarität. Wenn wir als emanzipatorisches Projekt wirksam sein wollen, ist hier anzusetzen. Denn ja – es gibt Kinder, sie sind irgendwo da draußen, aber wir haben eine Hürde gebaut, die so groß ist, dass nicht mal das langbeinigste unter ihnen noch darüber kommt.