Neue Serie in der MALMOE: „Kein ruhiges Hinterland” – Das Stadt-Land-Gefälle überwinden und Kämpfe verbinden. #1 Kärntner Zustände: Im südlichsten Bundesland Österreichs ist der deutschtümelnde Grenzlandpatriotismus zu Hause
In Kärnten wurde 1920 über den Verbleib der slowenischsprachigen Landesteile bei der deutschösterreichischen Republik abgestimmt. Die positive Entscheidung wird bis heute alljährlich in den Feiern zum 10. Oktober zelebriert. Die „Kärntner Traditionsverbände“, Kärntner Heimatdienst (KHD), Kärntner Abwehrkämpferbund (KAB), Kärntner Landsmannschaft, Kameradschaftsbund Kärnten und Ulrichsberggemeinschaft, werden nicht müde, die Regionalgeschichte deutschnational und rassistisch aufzuladen. Einen traurigen Höhepunkt fanden diese Umtriebe 1972 im „Ortstafelsturm“, bei dem die ein Jahr zuvor unter der Kreisky-Regierung aufgestellten slowenischsprachigen Ortsschilder von Rechtsextremen herausgerissen wurden. Es bleibt aber nicht bei der beständigen rechtsextremen Selbstvergewisserung. Die Traditionsverbände zeigen viel mehr eine große Bereitschaft, internationalen Faschist*innen und Rechtextremen Bühnen vor ansprechender landschaftlicher Kulisse zu bieten. Herausragendes Beispiel ist das sogenannte Heimkehrertreffen am Ulrichsberg, das seit den 1950ern Reiseziel von Kameradschaftsverbänden der Wehrmacht, (Waffen-)SS, von Neonazis und Burschenschaftern ist. Das Ulrichsbergtreffen ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, dass die Kärntner Zustände nie unwidersprochen hingenommen wurden. Bereits zum Beginn der Feiern verteilten Mitglieder der Kommunistischen Partei (KPÖ) Flyer gegen das Treffen. In den 1970ern ließ die selbstverwaltete landwirtschaftliche Kooperative Longo Maï ihre Schafe am Ort des Ulrichsbergtreffens grasen (und scheißen). Im Jahr 1997 gab es eine militante Aktion des Kommandos Z.a.l.a., das zahlreiche Gedenktafeln für diverse (Waffen-)SS-Divisionen, Wehrmachts- und andere nationalsozialistische Verbände zerstörte. Es folgte eine riesige Welle der Repression gegen Kärntner Antifaschist*innen. Nichtsdestotrotz planten Aktivist*innen der Kunst- und Kulturplattform Get To Attac im Jahr 2000, dem Jahr der Angelobung der schwarz-blauen Regierung, einen Hubschrauberangriff auf das Treffen. Ob tatsächlich der Auftritt eines als Hitler verkleideten Schauspielers geplant war oder das Ganze als mediale Guerilla-Aktion funktionieren sollte, bleibt ungeklärt. Wenige Jahre später gründete sich der Arbeitskreis gegen den Kärntner Konsens, der jahrelang antifaschistische Proteste gegen das Ulrichsbergtreffen organisierte. Dass das Treffen am Ulrichsberg aber in den letzten Jahrzehnten nicht das größte rechtsextreme Treffen im Bundesland war, zeigte die Recherche zum faschistischen Gedenken der kroatischen Ustaša in Bleiburg/Plibek. Bis zu 30.000 Menschen betranken sich hier und frönten einem kroatischen Geschichtsrevisionismus. Bis auch dieses Treffen in den letzten Jahren durch antifaschistische Proteste, Medienarbeit und einer Pandemie de facto beendet werden konnte.
Walter Fanta, Valentin Sima (2003): „Stehst mitten drin im Land“. Das europäische Kameradentreffen auf dem Kärntner Ulrichsberg von den Anfängen bis heute, Drava-Verlag, Klagenfurt/Celovec
Arbeitskreis gegen den Kärntner Konsens (Hg.) (2011): Friede, Freude, Deutscher Eintopf. Rechte Mythen, NS-Verharmlosung und antifaschistischer Protest, Mandelbaum-Verlag, Wien