MALMOE

Exzellenz heißt Sieg im Wettbewerb

Viel Exzellenz schreiben sich die Excellence Manager der Universität Wien zu, während sie der Frage nachgehen, wie es gelingen kann, der Gesellschaft eine Ausbildungsstätte ihrer selbst zu geben, in der Verwertbarkeit Bildung ersetzt.

Der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien kritisiert an der soeben erfolgten Wahl des neuen Rektors der Universität, Sebastian Schütze, sowohl, dass der stattgefundene Wahlprozess sowohl intransparent gegenüber dem Arbeitskreis war, als auch, dass keine Diskussion über die Auswahl der BewerberInnen zugelassen wurde. Die Gebote von „Transparenz und Fairness“, so der Arbeitskreis, wurden nicht eingehalten, gehofft wird aber auf eine „gute Zusammenarbeit mit dem neuen Rektorat und auf entschlossene Schritte in Sachen Gleichstellung und Antidiskriminierung.“

Analog dem Optimismus der Gleichbehandlungsbeauftragten wird Schütze in der offiziellen Pressemitteilung der Universität zitiert, der „[a]ls neuer Rektor“ die in jedem Parteiprogramm zu findenden „großen Zukunftsthemen […] von digitaler Transformation, Gesundheit, Klima und Umwelt bis zu Migration und Mobilität, Demokatieverständnis [sic!] und politischer Bildung“ nachkommen will. Dieser Auflistung an Schlagworten gehen allerdings einige noch gewichtigere Aufgaben eines Rektors der „älteste[n] Universität im deutschsprachigen Raum“, die „zu den führenden Forschungsuniversitäten Europas“ gehört, voran. Der neue Rektor will „diese Tradition und den erfolgreichen Kurs von Exzellenz und Internationalisierung fortführen“. Die Exzellenz der Universität Wien gründet also in der exzellenten Bewältigung von tradierten universitären Aufgaben, die wiederum als exzellent gelten können, weil deren Bestreiter selbst exzellent sind, denn sie wurden von Gremien und Räten einer exzellenten Universität berufen. So ist der neue Rektor der Exzellenzuniversität exzellent und damit würdig, den Posten ab Oktober zu übernehmen. Das wird weiterhin dadurch bewiesen, dass er „mit seinem Konzept die Universität in der internationalen Sichtbarkeit voranzubringen“, sie in der universalen Konkurrenz möglichst weit oben zu platzieren, „überzeugte“, so die Vorsitzende des Universitätsrats Eva Nowotny. Neben der „Grundlagenforschung“ ist es vor allem die „Rolle der Universität als wichtigster akademischer Ausbildungsstätte Österreichs“, die in der künftigen Entwicklung bedacht werden muss.

Wettbewerb statt Wahrheit

Dass die Rolle der Universität einmal gedacht wurde als die einer Bildungs-, nicht Ausbildungsstätte, geht in den Kompetenzen der angewandten Betriebswirtschaftslehre unter. Die Utopie eines sich der Welt und seiner selbst bewussten Individuums, das seine Identität durch Welt- und Selbstveränderung hindurch bildet, ist verdrängt. Die neue Rolle der Universität trägt stattdessen die Früchte des Wettbewerbs. Das Wissen, welches hier entsteht, ist ein verwertbares und für die Anforderungen des Wettbewerbs produziertes Wissen. Erfolg im Wettbewerb, nicht Wahrheit, lautet die Maxime. Hier erfolgt eine Anpassung an eine unbewusst herrschende Form der Verhältnisse. Es herrscht der Wettbewerb, in dem unterschieden wird zwischen Gewinnern und Verlierern, sodass selektiert, also gemessen werden muss. Evaluierung und Standardisierung, Rankings, Module und Notenschlüssel machen den Kern des auf Anpassungszwang beruhenden Wissens aus.

Der Universität ist es in dieser Rolle unmöglich, „der Gesellschaft ein Bewusstsein ihrer selbst zu geben“, wie der Philosoph Klaus Heinrich einmal die einzig vernünftige Aufgabe der Universität unter gegenwärtigen Verhältnissen beschrieben hat. Aber es kann ihr dank der exzellenten Besetzung des Rektorats wenigstens die „ausgewiesen[e] Kompetenz im Management“ dazu dienen, diese Bewusstlosigkeit hinter den bewegenden Präsentationen von gewichtigen „Zukunftsthemen“ wie „digitaler Transformation“ oder „Demokratieverständnis und politischer Bildung“ zu kaschieren. Deren Inhalt, das Wissen von ihnen, steht hier nicht zur Diskussion. Was genau es sein soll, das transformiert wird, bleibt ungewiss; gewiss ist nur, dass eine Transformation des Digitalen notwendig zu sein scheint. Der Versuch Österreichs, nicht von digitalen Vorreitern wie China abgehängt zu werden, ist nachvollziehbar. Denn diese haben tatsächlich ein exzellentes Wissensrepertoire, vor allem was technokratische Herrschaft angeht. Und dass weiterhin nichts von dem Zusammenhang verstanden wird, weshalb Demokratien sich immer weiter selbst entdemokratisieren – und auf diesem Feld hat Österreich eine hervorragende Kompetenz entwickelt –, bleibt in der Zukunft von „Demokratieverständnis und politischer Bildung“ zu erwarten.

So ist das, was durch die „wissenschaftlich hervorragend[e] Persönlichkeit“, die der neue Rektor ist, nach außen getragen wird, damit gerade nicht der tatsächlich fortschrittliche „Beitrag zu Zukunftsthemen“ geleistet wird, der in letzter Konsequenz eine Kritik und Veränderung der Gesellschaft beinhalten müsste. Sondern ganz im Gegenteil die Präsentation der Universität nach außen dasjenige ist, für was er eingesetzt wurde, also deren Überleben im größten binnengestützen Wissensmarkt der Welt. Die „Zukunftsthemen“ sind nur dadurch zukunftsfähig, dass sie verwertbar sind oder neue Verwertungsmöglichkeiten erschließen können. Damit bleibt die universitäre Zukunft selbst ein andauerndes Opfern der blind gesetzten Gegenwart.

Produktion möglichst verwertbaren Wissens

Der nach außen präsentierte Zusammenhang wird nach innen gespiegelt. Auch die Studierenden lernen als zentrale Kompetenz die Präsentation des Wissens, referiert wurde gestern. Die KollegInnen im Seminar sind schon zukünftige GegnerInnen im erfolgreich zu bewältigenden Konkurrenzkampf. Bildung als Miteinander im Lernprozess wird im Gegeneinander der durch Evaluierung standardisierten und vereinzelten Einzelnen konterkariert. Ihr Wissen ist ihnen gleichgültig, weil es ihnen äußerlich ist, es zählt nur noch als Mittel in der Durchsetzung gegen die anderen qua Präsentation. Die allseitige Interessiertheitsbekundung im Seminar ist dabei eine Rationalisierung dieses Rangelns um Verwertbarkeit: Nettigkeitsterrorismus ist das Zeichen eines sprachlosen Protests gegen das Diktat der erfolgreichen Selbstentäußerung.

„Der Universitätsrat ist der Überzeugung, dass mit Sebastian Schütze der erfolgreiche Weg der Universität Wien unter dem Rektorat von Heinz W. Engl weitergeführt und die aktuellen Herausforderungen mit neuen Konzepten und Energie in Angriff genommen werden.“ Auch der Autor schließt sich den Glückwünschen an und ist sich sicher, dass die Universität Wien sich auch in Zukunft in der universalen, universitären Konkurrenz erfolgreich durchsetzen und damit weiterhin führend auf dem Feld der Produktion von möglichst verwertbarem Wissen sein wird. Dass diese Kritik nur allzu leicht zu haben ist, ist dem Gegenstand der Universität geschuldet. Sie spricht nicht gegen einen einzelnen Rektor, nicht gegen irgendein subjektives Ungenügen, sondern gegen die Universität unter der gegenwärtigen neoliberalen Ordnung des Kapitals, die dennoch immer noch das negierte Potenzial in sich trägt, und es zuweilen sogar äußert, Menschen zu bilden.