Die Initiative des AK Bleiburg/Pliberk gibt Einblicke zum aktuellen Stand des Protests gegen faschistische Ustaša-Gedenkfeiern
MALMOE: Die Proteste der letzten Jahre haben dem faschistischen Ustaša-Gedenken in Bleiburg/Pliberk eine gewisse mediale und politische Aufmerksamkeit verschafft, nachdem es jahrzehntelang fast ausschließlich Menschen in der Region bekannt war. Wie sind Aktivist*innen auf das Treffen gestoßen, wie wurde es zum Ziel?
Das Treffen selbst war den Antifaschist*innen, die sich aktiv mit den Kärntner Zuständen beschäftigten, lange bekannt, aber eben nur für die. Nicht nur die Proteste, auch eine allgemeine Aufklärungsarbeit haben dann eine breitere Aufmerksamkeit darauf gezogen. Wer wann und wie darauf gestoßen ist, ist schwer zu sagen. Zum Zeitpunkt der Gründung des AK Bleiburg/Pliberk 2012 war das Treffen auf jeden Fall noch ein Nischenthema und wurde noch nicht systematisch bearbeitet. Genau das ist ja auch unser Ziel: über das Treffen und seinen Kontext aufzuklären.
Wie sind die gesellschaftlichen Verhältnisse in Kärnten/Koroska mit Feiern wie dem Ustaša-Gedenken oder dem Ulrichsbergtreffen verbunden? Warum gehäuft in Kärnten? Sind andere österreichische Bundesländer weniger reaktionär?
Verbunden sind sie in dem Sinn, dass Kärnten/Koroska, einen guten Schauplatz für diese Treffen darstellt: Hier können sie existieren, hier werden sie unterstützt. Der Widerstand dagegen ist marginal. Ob Kärnten/Koroska reaktionärer ist, ist schwer zu sagen. Klar ist aber eines: Kärnten/Koroska war und ist eine der deutschnationalen Hochburgen. Österreich selbst ist reaktionär, das postnazistische Österreich zeigt sich – um beim konkreten Beispiel zu bleiben – anhand von Bleiburg/Pliberk von seiner „besten“ Seite. Das sieht man auch an dem Umgang mit dem empfohlenen Verbot der Feier durch eine Expert*innengruppe des Innenministeriums: Verantwortlich will dann im Endeffekt niemand sein.
Das Konglomerat aus kroatischen Verbänden, österreichischer Politik und der katholischen Kirche war sicher nicht leicht zu durchschauen. Könnt ihr das Who’s who am Feld für uns nochmal aufschlüsseln?
Ein Who’s who würde sich im Interviewrahmen etwas ziehen. Auf unserem Blog www.no-ustasa.at haben wir viele Teilnehmer*innen aufgelistet. Dort gibt es auch Informationen zu den einzelnen Personen. Grundsätzlich ist es so: Die Feier selbst wird seit Beginn vom Bleiburger Ehrenzug – ein Verein, der von ehemaligen Ustaša gegründet wurde – organisiert. Teil nimmt ein breites Spektrum von konservativ bis rechtsextrem. Das kroatische Parlament hält die allgemeine Schirmherrschaft – womit auch eine finanzielle Unterstützung einhergeht –, in Österreich ist es die Katholische Kirche, die aktiv unterstützt. Auch wenn sie die Unterstützung eingeschränkt haben, zeigt sich das etwa an der Bereitstellung der Bleiburger Pfarrkirche für das diesjährige Treffen. Die Messe wird von Personal der kroatisch-katholischen Kirche gehalten. Dabei ist auch immer eine offizielle kroatische Abordnung – dieses Jahr war es der kroatische Botschafter – und eine gewisse Anzahl österreichischer Rechtsextremer und Deutschnationaler anwesend. Die Behörden haben natürlich auch jahrelang durch ihren wohlwollenden Umgang das Treffen ermöglicht. Der Gedenkort – oder besser gesagt: der Gedenkkomplex – wurde hauptsächlich von exilkroatischen Organisationen und Einzelpersonen sowie Geld aus Kroatien finanziert.
Im Innenministerium wurde im September 2020 eine Expert*innengruppe zum Treffen eingerichtet. Wie bewertet ihr die vorgelegten Ergebnisse?
Grundsätzlich begrüßen wir das Ergebnis der Expert*innengruppe, schließlich hat diese ja auch festgestellt, dass das Treffen in seiner bisherigen Form nicht durchgeführt werden darf und der Gedenkstein so nicht mehr stehen bleiben kann. Der Bericht stellt einen klaren Fortschritt in der Debatte um das Treffen dar, allerdings ist er auch unzufriedenstellend: Erstens lässt der Bericht selbst Hintertüren offen, indem er zum Beispiel konkrete Vorschläge macht, wie eine Gedenkfeier aussehen müsste, um nicht als verbotenswert zu gelten. Und zweitens folgt aus dem Bericht keine exekutive oder legislative Konsequenz. Man spielt den Ball wieder an die lokalen Behörden zurück, die wiederum jahrzehntelang das Treffen in seiner Form überhaupt ermöglicht haben.
Am Denkmal auf dem sogenannten Bleiburger Feld wurden 2022 bauliche Veränderungen vorgenommen, was genau ist da passiert?
Die kroatische Inschrift wurde entfernt und etwas später wurde das Wappen des NDH (Nezavisna Država Hrvatska – Unabhängiger Staat Kroatiens, Vasallenstaat von 1941-45), welches jahrzehntelang fester Bestandteil des Gedenksteins war, auch entfernt. Das geht direkt auf den Bericht der Expert*innengruppe zurück, in dem das bestätigt wurde, was seit vielen Jahren von verschiedenen Gruppen immer wieder betont wurde: Das Wappen fällt unter das Verbot durch das Abzeichengesetz und die kroatische Inschrift huldigt der Armee des NDH. Aufgrund des Berichts wurden die Behörden nun gezwungen zu reagieren und die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt forderte den Bleiburger Ehrenzug auf, die Inschrift und das Wappen zu entfernen. Das Denkmal selbst ist natürlich immer noch ein Problem, denn es ist ja weiterhin da. Genauso wie der gesamte Gedenkkomplex, aber dass der Bleiburger Ehrenzug Inschrift und Wappen entfernen musste, beziehungsweise sie entfernt wurden, hat sicher für einigen Ärger gesorgt.
Und was seht ihr für das Treffen in der Zukunft, in postpandemischen Zeiten, nachdem es seit 2019 keine Feier am Feld beziehungsweise 2022 nur einen kleinen Gedenkgottesdienst in Bleiburg/Pliberk gab?
Das Treffen wird nicht mehr in der Form stattfinden, in der es immer stattgefunden hat. Da gibt es jetzt einige Einschränkungen. Ganz verhindert wurde es nicht, aber es wurde stark minimiert und die Ruhe des Gedenkens gestört. Auffällig ist, dass beim Gedenkgottesdienst selbst nicht mehr als 100 Leute anwesend waren. Das dürfte auch die Veranstalter überrascht haben: Etliche aufgestellte Bänke vor und in der Kirche blieben leer. Anwesend waren – wie zu erwarten – auch mehrere rechtsextreme und geschichtsrevisionistische Persönlichkeiten und auch der kroatische Botschafter. Kurz gesagt: Wenn der Spaß der Ustaša-Verherrlichung wegfällt, bleibt eine gewisse Kerngruppe über. Am Feld selbst waren kaum Menschen. Man kann davon ausgehen, dass diese Form des Gedenkens auch zukünftig stattfinden wird, vor allem weil auch die katholische Kirche immer noch unterstützt. Gleichzeitig muss jetzt mal abgewartet werden, was nächstes Jahr passiert – es gilt also weiterhin gut zu beobachten, die Lage ist aktuell schwer einschätzbar. Der Großteil der Feier wird sich wohl nach Kroatien verlagern. Dort fanden dieses Jahr Gedenkfeiern in Udbina und eine in Zagreb statt. Es wird sich noch zeigen wie weit der Bleiburger Ehrenzug sich an der Organisation der Feiern in Kroatien beteiligt. In Zagreb war dies schon der Fall.
Der Mythos selbst existiert weiterhin, es gibt immer noch Gedenkfeiern. Es gilt auch in Zukunft weiter auf allen Ebenen in Österreich und Kroatin gegen diesen geschichtsrevisionistischen Mythos aktiv zu sein.