„Kann eine Zeitung“, fragte sich schon Lenin in seiner berühmten Schrift Was tun? (1902), „ein kollektiver Organisator sein?“ Die Frage stellt sich in der alternativen Medienproduktion ja immer wieder, in der Bericht und Mobilisierung, Beschreibung und Appell oft ineinander übergehen. Während Lenin allerdings die Zeitschriftenproduktion direkt an die Arbeit seiner Avantgardepartei geknüpft sah, hat sich das linke Schrifttum seit den 1968er Jahren eine gewisse Autonomie von den Apparaten erkämpft. Diese Unabhängigkeit ging mit viel unbezahlter Arbeit, aber auch mit undogmatischen, linken Haltungen einher, die auch MALMOE über die Jahre geprägt haben. Insofern hat der Einstieg mit Lenin auch etwas Kontrafaktisches (oder ist es Dialektik?), denn es ist ja gerade die nicht an Parteidoktrinen gebundene, sondern an Popkultur und emanzipatorischen sozialen Bewegungen ausgerichtete Orientierung, die MALMOE zu einem wichtigen Bestandteil der sogenannten Medienlandschaft in Österreich gemacht hat. Jenseits von leninistischen, trotzkistischen Kleinstparteien und jenseits von grün-liberalen Kulturlinken.
Aus Protesten gegen die schwarz-blaue Regierungsbildung im Jahr 2000 hervorgegangen, hat MALMOE sich als Projekt wohl länger gehalten, als viele der damals Beteiligten gedacht hätten. Dabei ist es offenbar gelungen, immer wieder neue Leute an das Projekt zu binden, zugleich MayDay-Demos, Refugee-Proteste, Recht-auf-Stadt-Mobilisierungen und vieles andere so zu besprechen, wie es sonst selten geschieht.
Intersektionalistisch gedacht und popkulturell aufgepeppt, wäre Lenin schließlich auch beizupflichten: Er war insgesamt optimistisch und hoffte, die richtig gemachte Zeitschrift könne „zu einem Teil des gewaltigen Blasebalgs werden, der jeden Funken des Klassenkampfes“ zu einem Flächenbrand ausdehnen würde. Einen noch längeren Atem also und alles Gute zum Geburtstag, MALMOE!
Jens Kastner ist Redakteur von Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst und BAM-Mitglied.