Amin Noor berichtet von seinem Pushback und wieso der Fall vor Gericht gelandet ist
Zu sechst haben wir die slowenisch-österreichische Grenze um drei Uhr in der Nacht überquert. In Bad Radkersburg warteten wir bis zum Morgen, niemand sollte denken, dass wir Diebe sind oder Probleme machen wollen. Gegen sieben Uhr früh trafen wir auf zwei Frauen, die joggen waren. Eine von ihnen kontaktierte die Polizei. Als die eintraf, fragten uns die Beamt:innen: „Wisst ihr, dass ihr in Österreich seid?“ Wir antworteten: „Ja, das wissen wir, und wir wollen hier um Asyl ansuchen.“ Sie sagten: „Kein Problem“.
Da wir alle Verletzungen hatten, fragten wir, ob sie uns zu einem Krankenhaus bringen könnten. Sie sagten: „Keine Angst, wir bringen euch ins Camp, aber zuerst müssen wir euch nach Waffen durchsuchen.“ Anstatt uns in ein Camp zu bringen, brachten sie uns zur Grenzstation (Sicheldorf, Anm.). Die Fahrt dauerte nur ein paar Minuten. Dort angekommen fragten wir, ob wir etwas zu essen bekommen könnten. Wir hatten schon seit Tagen nichts gegessen. Sie brachten uns nach knapp zwei Stunden eine große Portion.
Das war der Zeitpunkt, an dem ich – ich war der Sprecher der Gruppe – die Beamt:innen bat, uns nicht abzuschieben. Sie sagten uns, habt keine Angst, wir bringen euch in ein Camp. Der Bus wird gleich kommen. Wir entspannten etwas, und später nahmen sie uns die Fingerabdrücke ab, fragten uns nach unseren Namen und nach unserem Zielland. Wir sagten alle: „Austria, Austria“!
Dann brachten sie einen Mann zu uns. Er war offensichtlich Österreicher, aber er sprach noch eine andere Sprache. Ich glaube, es war Kurdisch, aber ich bin mir nicht sicher. Wir waren alle aus Afrika, keiner verstand irgendetwas.
Die meisten meiner Freunde waren schon eingenickt, da kam ein Polizist und forderte uns auf, ein Dokument zu unterschreiben. Es war auf Deutsch, und wir verstanden nichts. Mein Freund, der ein bisschen Deutsch kann, meinte, das wäre schon okay, und so unterschrieben wir es. Irgendwann schliefen wir alle ein.
Dann kam ein Bus. Wir dachten, jetzt fahren wir ins Camp. Als ich noch ganz verschlafen ausstieg, sah ich die slowenische Flagge und ein slowenisches Polizeiauto. Die österreichische Polizei hatte uns noch einen Zettel mitgegeben. Da stand auf Somali, meiner Muttersprache, drauf, dass ich illegal die Grenze überquert hätte. Ich dachte mir: „What the fuck?“ Ich begann zu schreien, ich bin richtig durchgedreht. Die österreichischen Polizist:innen hatten mir so oft versprochen, dass sie mich nicht abschieben würden, dass sie mich in ein Camp bringen würden. Alle waren verwirrt, warum ich schreie. Meinen Freunden war noch gar nicht klar, dass wir wieder in Slowenien waren. Ich schrie: „Die werden uns zurück nach Bosnien bringen!“ Und da drehten auch meine Freunde durch. Einer hatte eine Panikattacke, riss sich das T-Shirt vom Leib. Ein anderer fing an zu schreien, so als hätte er starke Schmerzen, er begann zu beten.
Inmitten dieses ganzen Chaos kam ein slowenischer Polizist. Er war ziemlich verwirrt und sprach kein Englisch, aber er gab uns zu verstehen, dass die österreichische Polizei ihnen gesagt hatte, dass wir in Österreich nicht um Asyl angesucht hätten. Er meinte, er ruft seinen Chef an, und dann schauen wir weiter.
Das hat alles nichts genützt. Ich habe schließlich in Slowenien um Asyl angesucht und dort auch Asyl bekommen. Meine gesetzliche Vertreterin – ich war damals minderjährig – hatte Kontakt zum Push Back Alarm Phone. Sie sagte mir, dass was mir passiert ist, sei illegal gewesen. Sie schlug mir vor, dass wir die Sache vor Gericht bringen. Ich sagte, ich habe nichts zu verlieren und wenn ich die Situation ändern kann … Es war wirklich abgefuckt. Sie meinte, ja, vielleicht kannst du Änderungen bei der Polizei bewirken. Und so haben wir gewonnen! Ich bin einer der wenigen, der gegen die Polizei gewonnen hat!