MALMOE

Editorial 99

MALMOE 99, März 2022

Aus Gründen entfällt das Editorial diesmal und wird durch einen Offenen Brief ersetzt:

Der russische Journalist und Schriftsteller Ilja Ehrenburg meinte, der Tod und der Krieg sind jeweils die ersten Besucher des Theaters. Sie kommen lange vor allen anderen und setzen sich still in eine abgelegene Loge. Sie betrachten schweigsam das Schauspiel, das vor und hinter dem Vorhang stattfindet. Dann plötzlich, ab einem bestimmten Zeitpunkt, von dem niemand glauben wollte, dass es ihn geben würde, übernehmen sie das Geschehen. Dann ist es zu spät.

Die Ereignisse in der Ukraine kamen auch für die MALMOE-Redaktion überraschend. An ein gewisses Maß kriegerischen Geschehens hat sich die Weltöffentlichkeit gewöhnt und auch kritischer, linker Journalismus, der stets versucht den Finger in die Wunde selbstgerechter Abgeklärtheit zu legen, hat insgeheim gedacht, zu einen Krieg mit Russland wird es schon nicht kommen. Jetzt stehen wir unmittelbar davor, oder er hat bereits begonnen, je nachdem was zu kriegerischen Mitteln gezählt wird.

Das schreckliche Regime Putins haben wir in vielen MALMOE-Beiträgen angeprangert, mussten aber immer wieder feststellen, wie sehr sich der Westen mit Putin arrangiert hat, bis hin zum höfischen Knicks der damaligen österreichischen Außenministerin. Was aber nützt die Anklage gegen den russischen Diktator, der sich die Kritik sicher nicht anhört? Es bleibt und blieb nichts anders als diejenigen in Russland und auf der ganzen Welt zu unterstützen, die sich Frieden wünschen und die sich für ein Ende der Unterdrückung einsetzen.

In diesem Sinn haben wir durch ein paar Beiträge versucht auf die aktuelle Lage zu reagieren. Unsere ausführlichen Schwerpunkte der Ausgabe behandeln die Pushbacks und das sich weltweit verdunkelnde Grenzregime, das wir aus verschiedenen Perspektiven beleuchten wollen. Einen zweiten Schwerpunkt widmen sich dem Ungehorsam gegen Autorität, denn „Integration“ kann und darf keine Subordination sein. Beide Themen stehen unverkennbar in direktem Bezug zur aktuellen weltpolitischen Lage.

Die MALMOE 99 ist diesmal im Umfang um acht Seiten erweitert, weil wir uns freuen dürfen exklusive Beiträge von Lisa Bolyos und Carolina Frank präsentieren zu können, die Eltern queerer Kinder porträtieren und deren Umgang mit den Coming-outs ihrer Kids. Diese Elternperspektive auf schwule, lesbische, transidente, bisexuelle, intergeschlechtliche und nonbinäre Kinder haben Bolyos und Frank auch in ihrem Buch Mich hat nicht gewundert, dass sie auf Mädchen steht verarbeitet, erschienen im Achse Verlag, Wien 2021.

In der MALMOE 99 heißt es auch Abschied nehmen. Unsere Kolumne „Digital Humanities“ erscheint ein letztes Mal, wir danken Christoph Hoffmann und Klaus Illmayer für die vielen sehr erhellenden Beiträge, die den digitalen Wandel unserer Lebenswelt aufzeigten. Ebenso verabschiedet sich unsere langjährige Kollegin Nikola Staritz (star) mit dieser Ausgabe vom Reaktionskollektiv. Sie hat über viele Jahre die MALMOE durch ihre wunderbare Redaktionsarbeit mitgeprägt und zentrale Aufgaben bei der Vereinsarbeit übernommen. Die MALMOE wird dich nie vergessen und wir schicken dir hier schon mal einen Riesendank!

Herzlichst
die MALMOE-Redaktion