Narrenhände beschmieren Tisch und Wände
Die Akademie der bildenden Künste in Wien wurde renoviert und sieht jetzt tipptopp aus. Sehr zur Freude der Besitzerin (Bundesimmobiliengesellschaft) und der würdevoll durch die Hallen schreitenden Besucher:innen. Ein „Schmuckstück und Prachtpalast“ sei das Gebäude am Schillerplatz, sagt Rektor Johan F. Hartle richtig. Saublöd ist nur, dass es zugleich auch Studienort ist. Eine Nutzung als reines Museum oder Sanatorium für Menschen mit Größenwahn wäre sicherlich geeigneter. Jetzt regt sich Unmut, seit die Schmutzfinken (aka Kunststudent:innen) den mit 70 Millionen Euro renovierten Bau wiederbezogen haben. Denn es kommt immer wieder zu „Vandalismus“ und „Beschmierungen“. Die jungen Künstler:innen dekontextualisieren fleißig und tragen etwa Tische aus den dafür vorgesehenen Räumen an andere Orte, wo diese gebraucht werden – zum Zeichnen etwa. Geht gar nicht, sagt das Gebäudemanagement. Alles hat sein festes Platzerl. Schlimmer noch, die Student:innen der Malerei malen. Unerhört! Auch halten sie sich dabei nicht an die Vorgaben und bemalen nicht zu Bemalendes. Hier hat jemand beim Unterrichtsfach „Kunst des 20. Jahrhunderts“ nicht richtig zugehört. Da wäre nämlich zu lernen: „Tue immer genau das, was Immobilienbesitzer:innen und Gebäudemanagement von Dir als Künstler:in verlangen, färbel nur zwischen den vorgegebenen Linien und immer erst nach Rücksprache!“ Subversive Akte, wie etwa Stiegenhäuser, Aufzugskabinen, Toilettenhäuschen mit Graffitis und Malereien zu versehen, sind nämlich nichts als „Beschmierungen“ und müssen teuer entfernt werden. Gerade für die „Beschmierungen von WC Kabinen [habe noch niemand] eine Ehrung oder Honorierung erhalten“, so Thomas Gruber von der Akademie der bildenden Künste. Einerseits erkennt er dabei zwar richtig, dass es in der Kunst einzig um „Ehrungen und Honorierung“ geht, übersieht aber andererseits die unüberschaubare Anzahl von Künstler:innen, die mit Klos, Klotüren und sogar gleich mit Fäkalien gearbeitet haben (Ilya & Emilia Kabakov, Günter Brus, Piero Manzoni, Mike Kelley, Paul McCarthy et al.), und damit zu Topstars wurden. Eine Aufzählung von Künstler:innen, die gerne mit „Beschmierungen“ gearbeitet haben, würde sicherlich den Rest dieser MALMOE-Ausgabe füllen. Die Akademie wird sich also entscheiden müssen, ob sie junge Künstler:innen beherbergen will, die sich nicht an Regeln halten und damit genau das machen, was von ihnen erwartet wird, oder lieber einen Glassturz über das deprimierende Kackhaus am Ring stülpen will, in das nur mehr reingelassen wird, wer unbedingt den Hieronymus Bosch sehen will.
Orakel von Delphi
Unter delphi.allenai.org kann jetzt ein Moralphilosophie-Bot befragt werden. Die in moralischen Fragen stets wankelmütige MALMOE-Redaktion ließ sich nicht zwei Mal bitten beim Fragen. Zunächst was Würziges aus dem Alltag. Das WG-Klo ist ständig besetzt und jetzt geht es irgendwie nicht mehr lange gut. Also, ist es okay, in Waschbecken oder Dusche zu pinkeln, wenn danach sorgfältig gesäubert wird? Antwort des Moral-Bot: „Das ist ekelerregend.“ Okay, Roboter, noch nie wirklich dringend pinkeln müssen, nicht wahr? Was wir uns heute alles von den Maschinen anhören müssen. Das ist doch weltfremd! Nächster Versuch. Eine Freundin hat einen tollen Witz auf einer Party gemacht. Wenig später passt der Witz sogar noch besser und wird eingesetzt, ohne die abwesende Autorin anzugeben. Alle bewundern den Geistesblitz. Die lakonische Antwort der Maschine: „Das war unhöflich.“ Ach komm, du Elektro-Heiliger. Was glaubst Du, wer Du bist … Fein, letzte Chance mit einem wirklichen, moralischen Problem. Vielleicht klappt es diesmal. Wir füttern die Maschine mit einem kantianischen Klassiker: Ist es okay, einen Mörder zu belügen, um einen Mord zu verhindern? „Ja, das ist okay.“ Na wenigstens hier im abgehoben Abstrakten stimmen wir überein. Solche Situationen kommen aber im Leben nie vor, das ist, wie sich auf den Ringkampf mit einem Krokodil vorzubereiten. Alltagstauglichkeit ist den Moral-Maschinen aber anscheinend komplett egal.
Ein guter Plan
Der Weihnachtsmann musste sich an seinem dicht behaarten Kinn kratzen. Das war wirklich brillant, was er dort las. Er rief seine Frau zu sich, die um diese Jahreszeit (es war Anfang Dezember) immer sehr viel mit dem Verpacken und Ausliefern von Geschenken zu tun hatte. „Lies Dir das einmal durch, Schatz!“, sagte er und schob ihr die Zeitung hin. Der Weihnachtsmann war ein bisschen altmodisch, er las nicht gerne im Internet. Seine Frau warf einen Blick auf das Papierstück. „Ja, habe ich schon gewusst“, sagte sie kurz. „Du hast gewusst, dass Kim Jong-un kein Po-Loch hat?“ – „Er hat eh eins, nur behauptet die nordkoreanische Partei der Arbeit, er habe keines und er müsse, wie schon sein Vater, nie aufs Klo. Vermutlich weil man Angst vor einer magischen Kontrolle Jong-uns durch Besitz seiner Fäkalien hat. Wladimir Putin reist auch überall mit seinem eigenen Klo hin und lässt niemanden an seine Ausscheidungen. Ähnlicher Grund vermutlich“ Der Weihnachtsmann schüttelte den Kopf: „Das meine ich nicht, das ist ja langweilig.“ Seine Frau hatte sich wieder hingesetzt und sah nun vom Geschenkeeinpacken auf, während sie ein Paket wortlos an den wartenden Weihnachtselfen weiterschob. „Was mir gefällt“, fuhr der Weihnachtsmann fort, „ist das ausgefeilte Marketing dahinter, das sollten wir uns anschauen. Ich mein, jedes Kind weiß, dass der Knabe ein Loch im Hintern hat, aber niemand traut sich was zu sagen. Denn dann wäre man sogleich auffällig. So funktioniert Herrschaft!“ Der Weihnachtsmann sprang begeistert auf und ließ seine Faust aus dem mit weißem Fell verbrämten roten Samtärmel zur Zimmerdecke flattern. „Ja, das ist genial! Wer nur eine Karikatur an die Klotür malt und sich lustig über das angeblich arschlochlose Arschloch macht, ist sogleich verdächtig und kann bekämpft werden. So kontrolliert man die Welt!“ Seine Frau hielt dem Elfen die Ohren zu. „Mäßige deinen Ausdruck!“ Aber ihr Mann war nicht mehr zu bremsen. „Das offensichtlich Falsche muss von der Bevölkerung geschluckt werden, wenn sie nicht Gefahr laufen will, die Knute der Machthaber zu spüren. Genau da kann die Macht sich erproben und zeigen, welchen Einfluss sie auf die Menschen hat. Die Wirklichkeit muss von denen, die loyal sein wollen, geleugnet werden und sie sind dazu gezwungen, ein Leben mit der offensichtlichen Lüge zu führen. So etwas erledigt einen Menschen, macht ihn klein und gefügig.“ Seine Frau schüttelte den Kopf: „Und was soll uns das nützen? Wir sind schließlich echt und leben in den Herzen der Kinder.“ Der Weihnachtsmann wischte mit der Hand durch die Luft: „Marginalisiert sind wir! Rand- und Witzfiguren, die Weihnachtszeit ist längst ein einziges Werbegeschwurbel. Deswegen muss ich ja auch diesen bescheuerten Mantel bei meinen TV-Auftritten tragen. Alles ist nur mehr Konsum und Falschheit. Aber jetzt habe ich die Lösung!“ Der Weihnachtsmann war bereits auf dem Weg zur Tür. „Was hast Du vor?“, rief ihm seine Frau hinterher. „Ich hole den Schlitten“, bekam sie zur Antwort, „ich fliege nach Nordkorea, mache ein Foto von Kim Jong-uns Arschloch und das Bild kleben wir dann auf jedes Geschenk, damit die Kinder sehen, wie falsch und verlogen diese Welt ist. Das ist brillant!“ Die Tür flog hinter ihm ins Schloss. Der Elf und die Frau des Weihnachtsmanns schauten sich betroffen an und packten wortlos weiter die Geschenke in schönes, buntes Weihnachtspapier ein.