Sind Linke lustig?
Wenn es stimmt, dass Inakzeptables durch Humor akzeptabel wird, und dass ein Witz mit höherer Wahrscheinlichkeit in Erinnerung bleibt als ein Argument, dann muss die Linke memen können. Den Vorwurf „The left can‘t meme“ begründet die rechte Altright beziehungsweise /pol/ Szene so: Die angebliche Political Correctness der Linken unterbinde Humor, während das Enttabuisieren vermeintlicher Wahrheiten und die authentische offensiveness der Rechten tatsächlich witzig seien. Da die Linke bekannterweise zur Selbstkritik fähig ist, gibt es inzwischen freilich schon theoretische Arbeiten zu diesem Problem. Erwähnenswert ist Can the Left Learn to Meme? Adorno, Video Gaming, and Stranger Things von Michael Watson, der das politische Potential von Humor im Social-Media-Zeitalter kulturtheoretisch ergründet und die Frage nach der Nutzbarkeit für linke Agenden stellt.
Aber stimmt denn nun der Vorwurf? Vorweg sei gesagt: Es gibt eine erstaunliche Zahl an Meme-Accounts der radikalen Linken auf Instagram & Co. Im anglo-amerikanischen Raum haben große Meme-Pages wie seize_the_memes, dankleftistmemes, marxistleninistmemeparty oder Zlazloj Zlizlek Abonnements im sechsstelligen Bereich. Deutschsprachige Seiten wie linksmemeversifft, sodastreamfan oder frankfurter_schule_gang erreichen ihrerseits zehntausende Menschen. Bemerkenswert ist dabei die Abbildung von innerlinken Diskursen und Bruchlinien auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst unterscheiden sich die englischsprachigen Pages diskursiv deutlich von den deutschen. In den USA und in Großbritannien oszillieren die hegemonialen Theorien derzeit zwischen Identitätspolitik, Postkolonialismus und Intersektionalismus, während im deutschsprachigen Raum Kritische Theorie und antideutsche Positionen dominant sind. Konkret äußert sich dieser Unterschied in Bezug auf den linken Nahost-Evergreen: Als im Mai diesen Jahres die Raketen flogen, spülten die englischsprachigen Kanäle einen Strom an pro-palästinensischen und anti-israelischen Memes durch das Internet, auf den deutschen Seiten fand sich kein einziges. Gemeinsame Nenner gibt es natürlich trotzdem, denn wirklich niemand mag Nazis, Polizei, Kapitalismus oder Liberals.
Eine zentrale Funktion von Memes ist die Schaffung eines Gruppengefühls. Grund dafür ist ihre partizipative Form. Beim Hineinschauen in die geographisch geordneten digitalen Räume bilden sich dort sämtliche Partikulardiskurse der jeweiligen linken Gruppen ab: Tankies gegen undogmatische Linke, Marxismus gegen Anarchismus, Queerfem gegen Radfem und so weiter. Und da linke Gruppen die Eigenschaft besitzen, interne sprachliche und theoretische Regelsysteme aufzustellen und dabei ein geradezu zwanghaftes Abgrenzungsbedürfnis gegenüber anderen Gruppen hegen, gibt es ein ebenso großes wie unterhaltsames Potential der offensiveness. Es wird also, entgegen dem Narrativ der Rechten, im großen Stil beleidigt und mit den Tabus der jeweils anderen gebrochen.
Darüber hinaus hat sich die radikale Linke qua Definition noch nie davor gescheut, mit den Regeln und Tabus der bürgerlichen Gesellschaft zu brechen. So äußert sich in der Anonymität der Meme-Kultur allerhand, was sich in keiner linksliberalen Zeitungskarikatur finden würde. Hier kommt zusammen, was zusammengehört, vom 1312-Molotov-Cocktail über das Goolag hin zum Abtreibungswitz. Gewaltfantasien gegen Rechte inklusive – selbstverständlich als Witz. Man wird ja wohl noch lachen dürfen.