Kabul
So sieht das entsetzliche Ende nach 20 Jahren der Lüge aus. Manche halten es dem greisen Mann im Weißen Haus zugute, dass er tat, was seine Vorgänger nicht wagten. Aber so kam ein Ende mit Schrecken, das unaufhörlichen weiteren Schrecken schaffen wird. Die beistehenden Nationen, deren anfängliche Kriegslust nach zwei Jahrzehnten verflogen war, konnten auch nichts tun, außer sich ihre moralische Schuld schönzureden. Die echte Hilfe wäre zu diesem Zeitpunkt leicht gewesen. Einfach die Versprechen, die den Menschen gegeben wurden, einhalten und ihnen die Flucht ermöglichen. Aber nein, niemand will Flüchtlinge. In den deutlichen Worten Joe Bidens: „Fuck that, we don‘t have to worry about that.” Wer so dumm war, den Regierungen des schamlosen Westen zu glauben, bezahlt dafür jetzt vielleicht mit seinem Leben. Die USA gaben den „Aufbau“ des Landes in die Hände von Söldner*innen, denen das Leben der Menschen in Afghanistan herzlich wurscht war. Die eigenen Leut‘ in Washington verdienten dabei göttlich. Es etablierte sich ein Stab der organisierten Lüge, der nie verriet, wie schlecht es um den Einsatz eigentlich stand. Das alte Lied: Wenn die Wahrheit dem eigenen Verdienst im Wege steht, dann tun sich viele schwer mit der Wahrheit. Jetzt bleibt einzig noch zu hoffen, dass die Taliban ihren „Lernprozess“ ernst meinen und nicht ganz so fürchterlich sein werden wie vor 20 Jahren. Dass sie das Land wirklich regieren wollen, darf ihnen geglaubt werden. Nur haben sie beträchtlichen Druck von rechts, weil der „Islamische Staat“ das afghanische Emirat bekämpfen wird und die Taliban zur Härte treiben wird. Frauen und Journalist*innen spüren bereits die Peitsche. Es bedarf großer Fantasie, um sich eine noch kaputtere Situation auszumalen.
Berlin
In Schland wird gewählt und das ist immer ein guter Grund für eine Demokratiedepression. Seit Generationen gibt es bei Bundestagswahlen nix zu wählen. Ein Unterschied zwischen Schröder/Steinmeier/Steinbrück/Schulz einerseits und Merkel andererseits war nie wirklich auszumachen. Jetzt tritt halt Olaf Scholz für die SPD an und der macht sogar die „Raute“ von Merkel nach. Die Imitation der Handhaltung der Kanzlerin war natürlich nur ein Spaß, aber bitterer Ernst ist Scholz‘ Wille, eine Regierung zu bilden, die im Grunde nicht einmal die bessere Merkel ist, sondern einfach die balsamierte. Im Wesentlichen heißt der Kurs deshalb „Weiter so“. Energische Klimarhetorik konnte die „Klimakanzlerin“ auch, getan hat sie nix. Scholz wird den Wirtschaftsstandort auch nicht mit Umweltauflagen „gefährden“. Dieses Versprechen, nichts zu tun, lässt wahlwerbende Parteien da punkten, wo angeblich die Wahlen entschieden werden: in der Mitte. Blöd nur, dass es echte Probleme gibt. Bei allen Krisen der Zeit fährt Scholz null Punkte ein. Die noch immer ungebändigte Finanzkrise und die fürchterlichen Ungerechtigkeiten der Reichtumsverteilung? Ach, CumEx Genosse! Steuern zahlen doch nur Doofis. Die überhaupt nicht überstandene Pandemie und die von Deutschland blockierte Freigabe der überlebenswichtigen Pharmapatente zur Impfstoffherstellung? Scholz duckt sich, obwohl die Forderung auch aus der eigenen Partei kommt. Da hat jemand schon eine Teflonschicht, bevor er die Kanzlerin beerben darf.
Dresden
Die äußerst unterentwickelte Ausgewogenheit der Justiz, wenn es um „links“ und „rechts“ geht, ist in Deutschland seit den 1920er Jahren mathematisch belegt. Linke landen x-mal so häufig und x-mal so lange im Knast wie Rechte. Es zeigt sich, dass nahezu alle Regierungen bei rechtem Terror überraschend versöhnlich reagieren oder dessen Ziele sogar insgeheim verstehen. Siehe die geänderten Asylgesetze nach Hoyerswerda oder der „War on Terror“, der sich dezidiert rechtsradikaler und rassistischer Erklärungsmuster bedient. Den „linken Terror“ hingegen müssen Regierungen und Gerichte meist erst erfinden. Das gelingt mal besser und mal weniger gut. Ein Trauerspiel von an den Haaren herbeigezogenen und offensichtlich leicht zu entkräftenden Vorwürfen bietet der aktuelle Dresdner Staatsschutzsenat und dessen Bearbeitung des Falls Lina E. Letztere ist ein wirklich dicker Fisch. Die „Kommandoführerin“ einer linken Terrorzelle, die Jagd auf Rechtsradikale gemacht haben soll. Dumm nur, dass der Nachweis nicht so richtig gelingen will. Der seit bald einem Jahr in Untersuchungshaft befindlichen Lina E. wird vorgehalten, zwei Hämmer in einem Baumarkt gestohlen zu haben. Der typische Powermove einer jeden Rädelsführerin. Sie habe die „Observation“ eines Leipziger Neonazis beauftragt, wohl zur „Vorbereitung eines Anschlages“, und sie habe bei Überfällen auf Nazigruppen mitgewirkt. Abgehörte Gespräche sollen belegen, wie Lina E. ihre „Gruppe E.“ als „kriminelle Organisation“ geführt habe. Zu hören sind aber lediglich Gespräche über geplante Antifa-Demos. Die „Gruppe E.“ hat – trotz monatelanger Observation – weder Gründungszeitpunkt, Terrorziele, Gruppenstärke oder auch nur ihren Namen offenbart. Die Terrorpatin Lina E. arbeitet also äußerst klandestin. Nicht so ihre „Gegner“ vom Landeskriminalamt, die wurden jetzt aufgrund durchgestochener Informationen an den rechten Boulevard wegen Datenhehlerei angezeigt.