Eisbär liest #2
Lange dachte ich, Itchy & Scratchy seien die raffinierte Parodie des ultra brutalen Fernsehklassikers Tom und Jerry, dabei handelte es sich in Wahrheit wohl bloß um eine gezügelte Version des viel brutaleren Comics von Altmeister Massimo Mattioli. In der Squeak the Mouse-Trilogie wird übertriebene Cartoongewalt zwischen Katze und Maus groß und rot geschrieben, und das altbackene Konzept der sich verkehrenden Hatz geht einen Schritt weiter und betritt Splatter-B-Movie-Territorium. Der gegenseitige Hass der beiden Protagonisten wächst dabei über den Tod hinaus, er weht ins nächste Leben weiter, wenn sich die Ermordeten als Zombies an ihren jeweiligen Peinigern rächen. Dabei gibt es keinerlei Erbarmen vor unbeteiligten Opfern, ein normales Leben wird hier über Generationen hinweg nicht mehr möglich sein. Damit ist Squeak the Mouse an einen Ort angekommen, von dem die beiden bekannteren Katz-und-Maus-Paare dank murmelartiger und verharmlosender Wiederholung verschont blieben: der Hölle.
Der 2019 verstorbene Massimo Mattioli war dabei wahrlich ein Brueghel seines Faches. Selten haben sterbende Katzen und Mäuse so bezaubernd und komisch ausgesehen wie hier. Die Seiten sind bunt, dynamisch und exakt.
Comics richtig lesen von Scott McCloud mag der Liebling all jener sein, die sich mit ihrem literarischen Konsum brüsten wollen, aber eigentlich nur Comics lesen. Aber bei Squeak the Mouse werden wir ZeugInnen eines gelebten Lexikons, denn jedes Panel ist hier ein perfektes Lehrbeispiel für die Sprache des Comics. Damit ist nicht nur die weit reichende Lautmalerei gemeint (Crash! Splotch! Strok! oder Tonk! – Hier ist wirklich alles dabei), jedes Bild und jede Szene ist ein in sich abgeschlossener Cartoon. Das liest sich ausgezeichnet, weil Mattioli ohne Sprechblasen arbeitet, aber trotzdem viel erzählt.
Wenn hier nicht gemordet wird, wird aufs Wildeste gevögelt – die sexuell aktiven Cartoon-Katzen, -Mäuse und -Menschen führten 1985 dazu, dass der Comic nach Veröffentlichung in den USA konfisziert wurde. Ein entspannteres und tieferes Eintauchen in die Welt der Comics wird hier also vor allem jenen möglich sein, die sich von der zu sehenden Gewalt und Obszönität nicht abhalten lassen.
Squeak the Mouse 1–3 (1982–1992) ist in der deutschen Erstauflage (Edition der Kunst) nur antiquarisch erhältlich und wird demnächst bei Fantagraphics neu aufgelegt.