Interabled Relationships sind möglich. Ein paar Gedanken dazu, wie sie funktionieren können
Ich bin eine Frau mit Behinderung und lebe seit einigen Jahren in Wien. Vor ein paar Tagen habe ich mir eine Rezension von The Greatest Showman angesehen. Der Film befasst sich unter anderem mit dem Thema „interracial relationships“. Ich konnte nicht umhin, über „interabled relationships“. Vorweg muss ich sagen, ich komme aus Griechenland. Die Themen Intimität, Sex, Beziehungen und Behinderung sind immer noch Tabu und durch viele Vorurteile geprägt. Griechenland ist stark durch das medizinische Modell der Behinderung beeinflusst und Menschen mit Behinderungen werden oft als „Engel auf Erden“ oder „Kinder“ wahrgenommen, die Hilfe benötigen. Infolgedessen wurde über Sexualität bis vor kurzem kaum gesprochen. Zum Beispiel gab es Fälle von Mädchen mit Behinderungen, die in Einrichtungen lebten und nichts über Menstruation wussten.
Glücklicherweise hat sich das aufgrund des Erstarkens der Behindertenrechtsbewegung auch in Griechenland geändert. Vor einigen Monaten habe ich eine Sendung über Behinderung und Sexualität gesehen. Unter anderem wurden Informationen zu Sexspielzeugen bereitgestellt, die Menschen mit motorischen Behinderungen beim Sex unterstützen. Ich war ziemlich angenehm überrascht, da ich vorher keine Ahnung hatte, dass es so etwas gibt. Ich denke an die geschockten Blicke, die mir jedes Mal zugeworfen wurden, wenn ich das Thema Sex vor 10 oder 15 Jahren angesprochen habe, und freue mich, dass sie etwas weiter in die Vergangenheit gerückt sind.
Respekt und Verständnis. Immer. Überall.
Ich mag es, mich schick anzuziehen, mich schön und sexy zu fühlen – so wie der Rest der Menschheit, denke ich. Ich muss allerdings zugeben, dass ich manchmal sehr unsicher bin, egal wie gut ich mich anziehe oder style. Seien wir ehrlich, Behinderung gehört nicht zu den Schönheitsidealen, die durch die Gesellschaft definiert werden. In so einem Kontext verlangt es einem oder einer viel ab, sich ein Selbstwertgefühl zu erarbeiten. Trotzdem glaube ich, dass ich jetzt – in meinen Dreißigern – auf dem richtigen Weg bin. Es ist jedoch schwierig, alle Vorurteile und Erfahrungen der Vergangenheit zu überwinden. Ich habe viele Dinge gehört wie: „Du solltest mit einem behinderten Mann ausgehen, ihr werdet euch besser verstehen“, oder: „Hallo! Ich kenne einen Mann, der sitzt im Rollstuhl. Möchtest du ihn treffen?“
Wir verabreden uns nicht mit einer Person, nur weil sie eine Behinderung hat – „Du hast einen Rollator?! Woohoo! Können wir tauschen?“ – und in der Hoffnung, besser verstanden und respektiert zu werden. Oder weil es die „sicherste“ und „akzeptabelste“ Wahl nach gesellschaftlichen Standards sein könnte. Vielleicht handeln einige mit den besten Absichten, aber ignorieren, was sie da tun: Ableismus ist eine Form sozialer Diskriminierung. Es ist, als ob sie sagen: Mischt euch nicht mit uns, bleibt unter euch!
Meine Wünsche und Träume sind wichtiger als deine Vorurteile
Dating und Beziehungen sind aufgrund all der Vorurteile, die sich um Behinderung drehen, komplizierter. Ich habe Geschichten über Paare gehört, die sich getrennt haben, weil deren Eltern die Beziehung nicht akzeptierten („Mein Kind wird nicht dein_e Pfleger_in sein“). Leider gibt es Leute da draußen, die solche engstirnigen Ansichten haben. Ich erinnere mich, dass ich einmal ein Gespräch mit einem Mann geführt habe, der es nicht mochte, als ich das Wort Behinderung benutzte. Er sagte: „Du solltest stattdessen den Begriff ‚besondere Bedürfnisse‘ verwenden.“ Und ich fragte: „Ist es ein besonderes Bedürfnis, ins Kino zu gehen, meine Freunde zu treffen oder dich zu treffen?“
Sagen wir einfach, dass es mir nicht gefällt, wenn Leute versuchen, mir Labels oder Wörter aufzuerlegen und mir so vorschreiben wollen, wie ich mich definieren oder nennen soll, nur weil sie sich unwohl fühlen. Ups! Jetzt ist es raus. Ich glaube, dass Dating für Frauen mit Behinderungen besonders schwierig ist, da von uns erwartet wird, dass wir die Rolle der Mutter, die Rolle als caregiver erfüllen. Es kommt häufiger vor, dass du ein Paar siehst, bei dem der Mann eine Behinderung hat und die Frau nicht, als umgekehrt. Vor einigen Jahren nahm ich an der Konferenz zum Europäischen Tag der Menschen mit Behinderungen in Brüssel teil. Da war eine Frau, die darüber berichtete, mit welchen Herausforderungen Mutterschaft und Behinderung verbunden sind. Die Quintessenz war: Wir alle haben Wünsche und Träume, die wir erfüllen wollen. Nicht die Behinderung, sondern die Art und Weise, wie das Umfeld damit umgeht, ist das Problem. Hier kann auch der Aktivismus für ein selbstbestimmtes Leben eine wichtige Rolle spielen: Bei der Bekämpfung von Vorurteilen und zur Wahrung unserer Autonomie in allen Lebensbereichen.
Wir können entscheiden
Behinderung hat für mich bei der Auswahl eines Partners nie eine Rolle gespielt – im Gegensatz zu Schokolade: Wenn er Schokolade mag, bin ich dabei. Man verliebt sich aus tausend Gründen in jemanden (er ist lustig oder klug oder er weiß, wie man einen Schokoladenkuchen bäckt). Es gab Männer mit einer Behinderung, die mir den Boden unter den Füßen weggezogen haben. Und es gab nicht-behinderte Männer, von denen ich völlig enttäuscht war. Es entscheidet sich in dem Moment, in dem man gemeinsam den Schritt in die dating zone wagt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass du deine_n Partner_in womöglich erst in deine Welt „einführen“ musst, wenn er_sie zuvor noch nicht mit Behinderung in Berührung gekommen ist. Aber ist es nicht so, dass alle – mit oder ohne Behinderung – Zeit brauchen, um sich gegenseitig kennenzulernen, sich aneinander anzupassen?
Manchmal wirst du abgewiesen und fragst dich: War es wegen meiner Behinderung? Tja, die Welt ist nicht perfekt … Das kann passieren. Es gibt so viele Gründe, abgewiesen zu werden, wie Menschen da draußen. Wir haben alle unsere Unsicherheiten. Behinderung kann eine davon sein, aber sie kann auch deine größte Ressource, deine Stärke sein. Es geht darum nicht aufzugeben und nicht zu denken, du hättest keine Chance. Im Leben geht es nicht um ein Happy End. Es geht darum, das Beste daraus zu machen. Vielleicht wollen dich einige Menschen treffen und andere eben nicht. Aber du darfst nie vergessen, dass du entscheidest, wer dich treffen darf. Uns gibt es nur mit all unseren Vorlieben, Begehren und Fantasien wie alle anderen auch. Und wir fühlen Liebe, Hass, Begeisterung, Wut, Enttäuschung, Lust … Wir können entscheiden und wir müssen für unser Recht auf Entscheidung kämpfen.