Hunde im Weißen Haus
Mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden kamen auch neue Hunde: Champ und Mayor (allein die Namen …). Im Weißen Haus haben die beiden charmanten Wuffis dann gleich ihren eigenen Twitter-Kanal, Instagram und Co. erhalten. Dort dürfen sie sich groß aufspielen, und zwar immer mit so lieben Wortwitzen („Make America grrrr-eat again“). Lustig. Eine Anbiederung bis zum Umfallen, für die immer Hunde herhalten müssen. Dann aber hat Champ (ein Deutscher Schäfer) einem Mitarbeiter in den Arsch gebissen. Deshalb mussten die beiden bereits etwas in die Jahre gekommenen „First Dogs“ nun wieder nach Delaware heimgeschickt werden. So viel zu den Metaphern, die das Leben schreibt.
Tourismus über alles!
Der Chef der Sacher-Hotels, der mit seiner Luxus-Hotel-Kette auch bei den Leading Hotels of the World Mitglied ist, was er nicht müde wird zu betonen, steht im internationalen Austausch, um nur das Beste für seine Branche zu erkämpfen. Kürzlich, so sagt er, habe er mit „Miami“ telefoniert, um sich auszutauschen und der Problemlage von verschiedenen Blickwinkeln zu begegnen. Die Widersprüche hat er glasklar erkannt: „Die [in Miami] haben geöffnet und testen gar nicht, nicht einmal die Mitarbeiter. Wir hingegen testen und dürfen nicht öffnen.“ Vor zwei Wochen wurden vom republikanischen Gov. Ron DeSantis alle Covid-Schutzmaßnahmen in Florida aufgehoben und jetzt, Mitte Mai, sind die Todeszahlen wieder in die Höhe geschnellt. Wer hier Kausalitäten vermutet, dem sei das eindringliche Mantra des Chefs nahegelegt: „Wir wollen, wir werden, wir müssen aufsperren!“ Koste es, was es wolle. Das Mantra, in dem weniger die Verzweiflung als vielmehr die Macht der Branche zum Ausdruck kommt, ist auch die gängige Rhetorik in Österreich. Da darf es auch nicht verwundern, wenn die Branche formuliert, dass sie doch den Maßnahmen und Gesetzen zur Lockerung zustimmen würde – das lässt durchscheinen, dass sie ihnen auch nicht zustimmen müsste und trotzdem aufsperren könnte. Und vermutlich ist da auch was dran, denn wer hält sich in Österreich schon an Gesetze? Im selben Kontext wird auch gerne betont, dass man ja Testweltmeister sei. Nach Weltkriegsmeister endlich wieder ein Titel, den man auch im Ausland herzeigen kann. Aber das wird nur so lange hochgehalten, wie die Kosten dafür aus öffentlicher Hand bezahlt werden, wäre es anders, hätten wir vermutlich Zustände wie in Miami, was aber den Chef der Sacher-Hotels nicht zu stören scheint, Hauptsache, der Rubel rollt.
Die sexuelle Rezession
Zahlreiche aktuelle Studien arbeiten sich an einem Phänomen ab, das sich in den Ländern des globalen Nordens gut belegen lässt: Sex is over and out. Bis zu zwei Drittel der unverheirateten Jungen (zwischen 18 und 34) in Japan und Südkorea sind an einer sexuellen Beziehung nicht mehr interessiert. Einfach zu anstrengend. Die Zahlen in den USA sind ähnlich. Im letzten Jahrzehnt hat sich der Gelegenheitssex bei den 18- bis 24-Jährigen schlicht halbiert. Über die Gründe wird gerätselt. Eine simple Erklärung wäre die von Shakespeares Hamlet: „Die Welt ist ehrlich geworden.“ Nur glaubt das allerdings niemand und dies ließe sich auch nicht mit den Mitteln einer Studie belegen. Mag sein, es war früher einfach schick, gegenüber dem Herrn mit der Hornbrille (Soziologe, Studienautor) zu behaupten, man würde viel – nun Sie wissen schon. Zahlreiche Hinweise sprechen allerdings für die Annahme, dass es tatsächlich weniger sexuelle Begegnungen gibt und die Wissenschaftler*innen filtrieren die üblichen Erklärungsansätze, die wenig erklären. Der Alkoholkonsum gehe zurück und damit wohl die nötige Enthemmung. Die wirtschaftliche Lage zwinge zum Wohnen bei den Eltern und deshalb blieben die Menschen länger in kindlichen Rollen. Und natürlich die Computerspiele. Wer lieber virtuell interagiere, komme eben weniger zur Sache. Mag alles stimmen. Durch die Äußerungen der Befragten schimmert aber noch eine tiefere und erschreckendere Begründung hindurch. Die „sozialen Kosten“ für den Geschlechtsakt sind längst zu hoch. Die jüngeren Menschen leiden unter einer ständigen Bewertung ihrer Person. Aussehen und Verhalten sind ununterbrochen auf dem Prüfstand und im direkten Vergleich mit unerreichbaren medialen Vorbildern. Das Diktat eines perfekten Images erlaubt somit kaum mehr den Sprung in die reale Interaktion. Wenn man so viel falsch machen kann, bleibt man lieber gleich daheim.
Das Express-Informationsnetz
Wir schreiben das Jahr 1975. Ein typischer Endverbraucher betritt sein Wohnzimmer und wird Teil einer Episode des technologisch-medialen Fortschritts sein, die heute weitgehend vergessen ist. Er trägt ein grünes Oberhemd mit Pfeilspitzenkragen und eine beige Schlaghose, die seinen Schritt bedrohlich einengt. Er begibt sich zu einem weißen Bücherregal und zieht einen Band des „Mann ohne Eigenschaften“ hervor. Mit ausladenden Schritten geht er durch den Raum und lässt sich auf ein Sofa nieder, das mit riesigem Floralmuster bedruckt ist. Er schaltet eine übergroße Plastikstehlampe ein und schickt sich an, zu lesen. Da klingelt es an der Tür. Eine Expressbotin reicht ihm an der Haustür einen Brief. Die Tür fällt ins Schloss und er reißt das Briefpapier auf. In dem Brief ist ein Foto, das ihm ein Freund geschickt hat. Abfotografiert ist das Mittagessen des Freundes. Eben will sich der Endverbraucher hinsetzen, da klingelt es erneut. Ein weiterer Expressbote, der einen Bildband überreicht. Darin enthalten sind mindestens vierzig Fotos seiner Exfreundin auf einer Urlaubsreise mit ihrem neuen Lebensgefährten. Eine kleine Karte bittet um einen Kommentar. Der Endverbraucher überlegt kurz und entscheidet sich, ein stilisiertes „Daumen hoch“ zu zeichnen. Der Expressbote nimmt die Zeichnung entgegen und verschwindet. Noch bevor die Tür ins Schloss fällt, klingelt es erneut. Ein weiterer Expressbote händigt ein Blatt aus. Darauf zu lesen: ein einziger Artikel der Lokalzeitung. Der Endverbraucher beginnt, sich zu wundern. Ein zweiter Expressbote drängt sich an dem ersten vorbei. Ein Bekleidungsgeschäft schickt ein Foto eben jenes grünen Oberhemdes, das sich der Endverbraucher vor drei Tagen dort gekauft hat. Der Preis des Hemdes ist nun niedriger. Eine weitere Expressbotin überreicht dem Endverbraucher das Foto eines wenig geliebten Kollegen, der vor einer Sehenswürdigkeit posiert. Noch eine Expressbotin baut derweil einen 8-Milimeter-Projektor auf und beginnt, einen Film von einem drolligen Kätzchen auf die Wand des Flures zu projizieren. Das entgeisterte Nicken des Endverbrauchers interpretiert die Expressbotin als Einwilligung und sie beginnt, unaufhörlich weitere kleine Filme von lustigen Kätzchen abzuspielen. Der Endverbraucher drängt sich an der mittlerweile beträchtlichen Anzahl an Expressbot*innen im Hausflur vorbei und blickt das Treppenhaus hinunter. Unglaublich, eine schier unendliche Reihe von Expressbot*innen drängt die Treppe hinauf. Ein Expressbote öffnet ein Leporello mit Fotos von Personen aus der Nachbarschaft in anzüglichen Posen. Eine Expressbotin mit Bleistift und Notizblock fragt: „Wie gefällt Ihnen ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘ auf einer Skala von 1 bis 5 Sternen? Würden Sie das Buch einem Freund oder einer Freundin empfehlen?“ Der Endverbraucher drängt sich an den wartenden Bot*innen vorbei und gelangt in seine Wohnung zurück. Es gelingt ihm mit Mühen, die Tür hinter sich zu schließen. Die Expressbot*innen klingeln Sturm. Der Endverbraucher wischt eilig ein Makramee-Bild zur Seite und schraubt eine Sicherung aus dem Kasten. Die Türklingel verstummt. Er eilt zum Telefon: „Aus, vorbei, ich bin raus. Dieses Express-Informationsnetz ist nichts für mich, da drehe ich bloß durch.“ Diese Sache wurde abgeblasen und im Jahr 1976 sprach niemand mehr davon. Die Idee war einfach technisch noch nicht ganz ausgereift.