MALMOE

Liebe auf das erste Mail

Die Geschichte eines unverhofften Kennenlernens und dessen Konsequenzen

In einer Mailingliste für computerinteressierte Blinde ging es um die Erstellung von Playlisten in Winamp. Keine Ahnung! Ich ließ mir von der Sprachausgabe meines Screenreaders die auf diese Anfrage folgenden Kommentare vorlesen und war unangenehm berührt, dass darin die Fragestellerin beschimpft und als blöd dargestellt wurde. Natürlich empörte sich meine gute Kinderstube gegen dieses Verhalten, ich schwang mich also auf meinen virtuellen Gaul und kam der unterdrückten Maid zu Hilfe.
Dies ist und war der Anfang jenes wunderschönen zweiten Lebensabschnittes, der mir da geschenkt wurde und für mich unentdeckt und spannend vor mir lag. Denn diese neugierige Mailerin, deren Eltern sie auf den ansprechenden Namen Sabine getauft haben, für alle anderen ist sie nur das Wiesel, teilt zu meinem eigenen Unverständnis immer noch – ich würde es mit mir niemals aushalten – mein Leben, und ihr gehört meine ganze Liebe.

Nachdem ich nun jene Idioten als Idioten bloßgestellt hatte, wurde ich mit einem Mail von ihr belohnt. Ein Mail folgte dem nächsten.
Ein Tag mit vielen Mails folgte dem nächsten.
Eine Woche mit vielen Mails folgte der nächsten. Und so lernten wir uns kennen und ganz langsam begann sich in mir ein Gefühl zu regen, das mir fremd, aber auch schön war.
Wir kehrten das Prinzip um: Zuerst kennen lernen und dann Sex.

Aber am 6. Februar 2004 war es dann endlich so weit. Schlaftrunken stolperte ich aus dem Nachtzug in eine deutsche Stadt.. Nur mehr ins Taxi – eine französische Taxilenkerin, die mir auf der Fahrt erzählte, dass sie der Liebe wegen nach Deutschland gezogen sei – ein gutes Zeichen. Nun würde ich es auch gut finden, dass wir die angegebene Adresse endlich fänden, denn wir fuhren die Straße mindestens viermal auf und ab und ich war schon bereit, alles hinzuschmeißen und wieder zu Mama zurückzufahren. Aber da sahen wir eine blinde Frau mit einen Blindenführhund. Keine Ahnung, ob es die gesuchte war. Richtige Straße, blind, was will man mehr.

Über die kommenden Stunden breite ich den Mantel des Schweigens, denn ich hoffe und weiß, dass die Fantasie ausreichen wird, um sich die Geschehnisse vorzustellen.
Als wir wieder gesellschaftsfähig waren, verlief die Zeit bis zu meiner Abreise wie im Flug und gleichzeitig unwirklich.Der Abschied war tränenreich und ich schwor nach drei Wochen wiederzukommen. Diesen Rhythmus hielt ich dann für eineinhalb Jahren durch und die Abschiede blieben immer tränenreich.

Da ich fand, wenn mir ein menschliches Wesen so blind vertraut, dass es seine Vergangenheit aufgibt und nur mehr unsere Zukunft sieht, sollte ich mich auch trauen, und das taten wir schließlich am 19. November 2010 in aller Ruhe und im engsten Kreis.