Mit dir kann sich schon gut unterhalten werden! Du bringst einige Menschen zusammen.
Oh, ich sag dir, mich sprechen um die 1,5 Milliarden Menschen auf der Welt. Das sind in etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung. Ich bin selbst immer wieder baff, wenn ich an die Zahl erinnert werde. Ich muss dann ganz schnell relativieren und zum einen sagen, dass das erst seit ein paar hundert Jahren so ist, und zum anderen, dass davon fast die Hälfte der Menschen Englisch nicht als Erstsprache spricht. Aber ja, ich bin die meistgesprochene Sprache der Welt. Nicht vergessen darf man eins dabei, nämlich dass das ermöglicht wurde durch das immense imperiale Projekt Britanniens. In dem Zeitraum zwischen dem Ende des 15. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre hinein hatte es direkten Einfluss auf weite Teile Europas, Nordamerikas, Afrikas und Westindiens. Und hier wird es schon knifflig. Das imperiale Projekt war ja nicht in erster Linie darauf ausgerichtet, dass sich Menschen begegnen und austauschen, noch war das Ganze ein friedliches Unterfangen. Um Völkerverständigung ging es hier also weniger. Die englische Sprache diente vielmehr dem kolonialen Zentrum zur Kontrolle und zur Herrschaft, um wirtschaftliche Interessen zu gewährleisten. Wenn du so willst, bin ich heute ein Überbleibsel aus dieser Zeit, die noch gar nicht so lange zurückliegt und auch heute noch wirkungsmächtig ist, obwohl die formale koloniale Abhängigkeit zu existieren aufhörte. Als Stichwort sei hier das Internet genannt, von dem die zehn Millionen meistbesuchten Internetseiten zu 60 Prozent in englischer Sprache sind.
Wie gehst du mit dieser historischen Last um? Es ist doch bestimmt nicht einfach damit klarzukommen, dass du Teil eines gigantischen Unterdrückungsprojektes warst – und es unter veränderten Vorzeichen noch immer bist?
Ich bin ganz bei dir, die Geschichte zerreißt mich förmlich. Sie wird gerne als ermöglichende Gewalt beschrieben, die da am Spiel ist. Zum einen ermöglicht sie, dass Menschen sich austauschen und einander näherkommen, zum anderen schafft sie Zugänge und führt Strukturen ein, die darauf ausgerichtet sind, andere zu dominieren. Es ist dieser Zwiespalt, in dem ich mich permanent bewege. Und es ist ja auch nicht nur so, dass Sprache von außen irgendwo drübergestülpt wird. Sie verändert sich, wird affirmiert, hybridisiert und so auch gegen die ursprüngliche Intention gerichtet und gewandt.
Mir fallen da etwa die Gedanken einer Kreolisierung von Sprache ein.
Ganz genau, das ist ein gutes Beispiel, wo neue Formen der Kommunikation entstehen, ja zum Teil gar neue Sprachen. Da freut es mich dann schon, solch ein lebendiges Projekt zu sein, das sich stetig verändert. Statistisch gesprochen wird alle zwei Stunden ein neues englisches Wort ins Oxford English Dictionary aufgenommen, pro Jahr sind das 4000. Ich bin eine der Sprachen mit den meisten Wörtern auf dieser Welt. Aber manchmal wird auch geschummelt, etwa wenn es um Wortkreuzungen geht, das nennt eins ein portmanteau, etwa hungry und angry ergibt hangry.
Worauf auch viele andere Sprachen oft etwas wehmütig schauen, ist, dass ich keine grammatikalischen Regeln für Geschlechter mehr habe. Und auch die Etablierung der genderneutralen Pronomen ze und hir erlangen zunehmend Bekanntheit, wo andere Sprachen noch etwas hinterherhinken.
Und noch eine kleine Anekdote zum Abschluss, die mich zum Schmunzeln bringt: Das am häufigsten verwendete Adjektiv ist good und das am häufigsten verwendete Substantiv ist time.
Good Time, dir auch liebes Englisch!