MALMOE

Ein Netzwerk im Netzwerk

Die Macher:innen des neuen Wiener Community-Radios vlan im Interview

MALMOE: Seit Anfang März streamt ihr jeden Freitag live aus dem Loft in Wien unter dem Namen Vienna Local Area Network Radio, kurz: vlan.radio. Wie ist vlan.radio entstanden?

Caro: Johannes und ich kennen uns schon seit Jahren aus der Wiener Clubszene und letztes Jahr im Spätsommer hat er mich gefragt, ob ich mit ihm dieses Projekt auf die Beine stellen möchte. Ich war begeistert von der Idee. Der Plan hinter vlan.radio ist, ein Netzwerk für Künstler:innen in und aus Wien aufzubauen. Wir wollen damit einen Raum musikalischer Begegnung schaffen.

Johannes: Die Tradition von Community-Radios ist in Österreich leider nicht vergleichbar mit der im englischsprachigen Raum. Gerade in Wien gibt es wahnsinnig viele gute Künstler:innen, die außerhalb einer bestimmten Öffentlichkeit agieren. Und die hören zu dürfen, war für mich ein unglaublicher Aha-Moment: So viel neue Musik zu entdecken ist wunderschön.
Ein Community-Radio kann aufzeigen, was in einer Stadt musikalisch eigentlich geht. Es gibt zahlreiche Beispiele – egal ob Red Light Radio in Amsterdam, LYL in Lyon und Paris, NTS in London oder Kiosk Radio in Brüssel: Überall dort, wo es diese Radios gibt oder gab, haben Künstler:innen den Sprung geschafft, international zu reüssieren. Leute, die einfach nur DJs waren, haben plötzlich im Berghain gespielt, ohne jemals eine Platte rausgebracht zu haben!

Es gibt ja schon Radiosender in Wien mit einem ähnlichen Ansatz, Radio Orange etwa oder teilweise auch noch FM4. Wie unterscheidet ihr euch von denen? Was ist euer Alleinstellungsmerkmal?

C: Die Auftritte der Künstler:innen werden bei vlan.radio auch als Video aufgezeichnet, gestreamt und danach als Video-on-Demand zur Verfügung gestellt – aktuell auf Youtube und Soundcloud. Dadurch haben wir sowohl ein lineares als auch ein non-lineares Programm zu bieten. Das ist, glaube ich, der größte Unterschied. Bei uns gibt es auch keine Werbung zwischen den Sendungen. Wir sind ein nicht-kommerzielles Community-Radio. Uns geht es schon darum, das Kulturgeschehen in Wien im progressiven Sinne zu verändern, und ich glaube, das ginge nicht, wenn wir uns von großen Firmen abhängig machten.

J: Der Vorteil ist, dass wir uns nicht verbiegen oder unsere Programminhalte anpassen müssen, um Sponsoring oder Einschaltungen zu bekommen. Aber das macht das Leben ungemein schwerer, weil sich das Ganze finanzieren und am Ende auch rentieren soll. Gerade machen wir die Arbeit ehrenamtlich. Sobald es wieder geht, wollen wir uns über Förderungen sowie Veranstaltungen finanzieren. Dabei soll absolut transparent gehalten werden: Wer bekommt wie viel? Und was bekommt der Verein? Auf lange Sicht soll sich so ein Finanzierungsmodell ausgehen, damit Caro und ich für unsere Arbeit ein Gehalt bekommen. Das ist der Weg, auf dem wir sind. Wir haben zwar noch nicht die Gewissheit, dass das so passiert, aber wir sind guter Dinge.

Welche Artists featured ihr? Habt ihr da bestimmte Kriterien?

C: Wir machen gerade jeden Freitag eine Show und jeder Freitag hat ein anderes Genre. An einem Abend läuft Experimental/Ambient/Tribal, an einem anderen Techno, dann gibt es noch einen Abend Breaks/Jungle/Dancehall und einen mit Hip-Hop. Das sind mal die vier Eckpfeiler. Natürlich gehört da jede Art von Subgenre auch dazu. Die Künstler:innen wählen wir selbst aus oder sie werden uns von anderen empfohlen – auch das funktioniert ganz gut.

J: Das ist ein wesentlicher Punkt an vlan.radio, nämlich dass ein Netzwerk im Netzwerk entsteht und sich Künstler:innen untereinander austauschen können und Empfehlungen aussprechen. Dadurch bekommt das Projekt ein Eigenleben, indem sich immer mehr Menschen einbringen – oder sie eben eingebracht werden. Es entstehen ein wahnsinnig schöner Austausch, kurze Wege, Nachhaltigkeit.

C: Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Line-ups ist ein mindestens ausgeglichenes Verhältnis von Frauen* beziehungsweise Non-binary-Personen und von Künstler:innen aus marginalisierten Gruppen. Das ist uns extrem wichtig. Und da geht es nicht um eine Quote, die wir uns auf die Fahne schreiben können. Sondern darum, mit vlan.radio einen Raum zu schaffen, in dem sich die gesellschaftliche Vielfalt ausdrückt. Wir wollen auch ein „Sicherheitsnetz“ einziehen. Wir werden einen Beirat aus acht bis zehn Personen, die unsere Gesellschaft widerspiegeln, im Verein installieren. Und damit gewährleisten, dass das Projekt offen und transparent abläuft und dass es möglich wird, rechtzeitig auf etwaige Probleme aufmerksam zu machen, um diese dann ändern zu können.

Was wird bei vlan.radio demnächst passieren, worauf wir uns jetzt schon freuen können?

C: Wir können schon mal verraten, dass wir künftig nicht nur aus dem Loft – vielen Dank an dieser Stelle ans Loft! – streamen werden, sondern auch andere Locations in Aussicht haben und im Sommer auch nach draußen gehen. Wir wollen auch aus Ateliers streamen und Shows kuratieren, die auf andere Künste eingehen. Dadurch wird das Netzwerk ausgebaut. Natürlich ist Musik unser Steckenpferd, aber es sollen ebenso andere Künste davon profitieren. Wir haben gerade auf Instagram eine Kooperation mit dem Fotograf:innenkollektiv Eclect.

Klingt nach jeder Menge Spaß. Was wäre für euch der Spaß-Overkill?

C: Für mich wäre einfach das Schönste, wenn Veranstaltungen mit mehr Menschen vor Ort wieder möglich sind. Bei unseren Shows sollen Leute dabei sein können – das macht natürlich viel mit der Stimmung. Und während des Streaming können sie einen Eindruck bekommen, wie wir die Sendungen gestalten.

J: Freitags von 18 bis 22 Uhr aus dem Loft streamen, unsere Freund:innen und Bekannte oder Leute, die einfach vorbeigehen, kommen auf einen Spritzer rein und hören sich die Sendung an. Und ab 22 Uhr beginnt unser Clubabend auf drei Floors – dann hätte ich schon bis Mitternacht so viel Spaß gehabt, dass es bis Weihnachten reicht.