Jeff Bezos und Bill Gates machen sich die Welt, wie sie ihnen gefällt. Leslie Samtpfote hat in ihren neuen Büchern geschmökert, damit ihr es nicht tun müsst
Alain Robbe-Grillet brachte es bereits 1970 auf den Punkt, als er forderte, wir bräuchten „Ein Projekt für eine Revolution in New York“. Tatsächlich ist es sinnlos zu versuchen die ökonomischen Verhältnisse in den Randzonen (Südamerika et al.) zu reformieren, weil das übellaunige Machtzentrum jeden Wandel zuverlässig erstickt. Noch nie sah es so gut (weil einfach) für diese Revolution im Zentrum aus wie heute. Sie wird folgendermaßen laufen: Eine kommunistische Partei erobert die Herzen und Hirne der US-Bevölkerung und bekommt Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus und stellt natürlich den Präsidenten (nein, nicht Bernie Sanders, der ist zu konservativ). Dann müssen die Kommunist*innen für die Durchsetzung ihrer marxistischen Ziele nur eine einzige Maßnahme setzen: die Verstaatlichung von Amazon. Fertig, der Rest ergibt sich von allein. Easy, oder?
Jeff Bezos in den Wolken
Das war der weitgehend ironiefreie Teil des Textes. Was jetzt kommt ist noch viel verrückter, aber eben leider die Realität. In den USA sind megalomane Monopole entstanden. Eines der größten davon ist Amazon, der Gründer Jeff Bezos verdiente während der Covid-Krise zeitweilig 200 000 US-Dollar – in der Minute. Das ist natürlich viel mehr, als jede erdenkliche Arbeitsleistung wert sein könnte. Bezos verbringt aber seine Zeit gar nicht mit Arbeiten, sondern mit dem Tapezieren seiner Zelle im Wolkenkuckucksheim. Nachlesen kann man dies in dem jüngst erschienenen Werk Jeff Bezos – Collected Writings, das seine eigenen Kund*innen auf Amazon als das vielleicht schlechteste Buch aller Zeiten „feiern“. Es besteht aus Rundmails Bezos‘ und abgetippten Videobotschaften. Der Autor Bezos hat sicherlich kein Problem mit seinem Selbstbewusstsein.
Braucht er auch nicht zu haben, schließlich hat Amazon sich zur Tiefenstruktur des Kapitalismus gemacht. Hierbei ist die alte Misere (siehe Robbe-Grillet), dass das Begehren selbst zur Warenform wurde, nur das kleinere Problem. Die Menschen erfüllen sich halt ihre „Wünsche“, indem sie bei Amazon bestellen. Aber selbst wenn Frau und Mann sich dies verkneifen, dann nutzen sie sicherlich (zumindest indirekt) das Internet. Auch MALMOE wird übrigens weitgehend im Internet erarbeitet und letzteres funktioniert nur mehr dank des Amazon-Cloud-Computings. Die für das Wirtschaften nötigen Daten stecken auf den Servern des Internetkonzerns und es ist nicht übertrieben zu sagen, ohne Amazon gäbe es keine Weltwirtschaft mehr, wie wir sie kennen. So viel zur Frage, warum es so schwierig ist eine stärkere Besteuerung der Internet-Riesen durchzusetzen. Sie sitzen leider meist am längeren Hebel, auch wenn es jüngst in Australien gewisse Erfolge dabei gab, die Einhaltung von Gesetzen auch bei Internetriesen zu erzwingen.
Mit welchen Visionen droht nun Jeff Bezos der Welt? Bezos ist klar, dass sich die bestehende Wirtschaftsordnung nur bei fortlaufend unbeschränktem Wachstum aufrechterhalten lassen wird. Deswegen muss nun in den Weltraum gezogen werden. Bei Bezos fliegen deshalb die Untertassen aus dem Schrank und reisen vom Erdorbit bis zum Mars. Der Mutterplanet soll nur mehr für leichte Industrie und Vergnügungen genutzt werden, die anderen Planeten für die Schwerindustrie und die Ausbeutung von Bodenschätzen. Ach Jeff, was für ein Bull-shit. Zunächst, in den Weltraum fliegen ist viel schwerer als behauptet – lassen wir es einmal dabei bewenden und erinnern nur daran, dass Bezos‘ und Elon Musks Raketen dauernd explodieren. Dann die Frage, wonach soll auf den anderen Planeten gebohrt werden? Denkt er an Atomenergie? Plutoniumvorkommen sind unbekannt, Uranvorkommen im restlichen Sonnensystem geringer als auf der Erde. Hmmm, schwierig. Die irdische Industrie wiederum basiert auf einem erdgeschichtlichen Zufall: Ein paar hundert Millionen Jahre lang waren Pflanzen bereits in der Lage sich zu verholzen, bevor Bakterien auf den Trichter kamen das Holz zu zerlegen. In dieser Zeit konnten die abgestorbenen Pflanzen von den Destruenten nicht aufgefressen werden (wie es heute geschieht), sondern verwandelten sich langsam in Kohle, Erdöl und Gas. Diese gespeicherte Energie verbrennen wir heute. Es wird folglich nix nachkommen und sich nix ähnlich Energiereiches auf anderen Planeten finden lassen.
Details, die Bezos nicht stören. Er glaubt es ließen sich im Sonnensystem neue Welten basteln, die der hundertfachen Erdbevölkerung Raum bieten würden und dadurch (Achtung präzise Rechnung!) die hundertfache Zahl an Mozarts und Einsteins hervorbringen werden. Großartige Zivilisationen werden entstehen! Wenn nur die hunderte Mozarts und Einsteins nicht im Paketlager von Amazon werden schuften müssen… Bezos ist ein solcher Dummwaschl, dass es fast Spaß machen könnte, ihn zu lesen. Es ist nur leider zugleich auch alles etwas gruselig, weil der Mann eben so mächtig ist. Er hat übrigens auch gar nicht vor, diese neuen Weltraumwelten selbst zu bauen, sondern will nur „Ideengeber“ sein. Hinter all dem Unsinn steht der Gedanke, dass die aus allen Nähten platzende Welt ein Wachstumshindernis ist. Klar wird bei allen windigen Überlegungen Bezos nur eines, es geht gar nicht um die Rettung der Welt, sondern um die Rettung des Kapitalismus.
Bill Gates unter der Erde
Ein anderer wohlmeinender Milliardär ist Bill Gates, er hat auch ein Buch geschrieben und will auch den Kapitalismus retten. Seine Analyse ist der von Bezos nicht unähnlich, kommt aber intellektueller daher. Es heißt How to avoid a Climate Disaster. In dem Text wäscht Gates den Gretas der Welt den Kopf, indem er ihnen vorrechnet, dass alle Maßnahmen, die den Individualverkehr, Flugreisen oder den Fleischkonsum betreffen (mithin jene Dinge, die Konsument*innen selbst ändern könnten) in der Welt-Klima-Bilanz niemals ausreichend sein können. Ganz abgesehen davon, dass diese Aufrufe an die Moral nie wirklich fruchten – da ist sich der moralbefreite Milliardär ganz sicher.
Anders als Bezos ist Gates nicht ganz frei von Selbsterkenntnis. Er räumt ein, dass sein Herumjetten mit Privatjets, das Essen von Rindfleisch und der Besitz zahlreicher großer Häuser eben seine „guilty pleasures“ seien und das auch hier was getan werden sollte. Nur seien eben Stahl und Beton die viel, viel größeren Probleme. Tatsächlich betreibt die Weltgemeinschaft einen ruinösen Ausbau der Infrastruktur (Straßen, Wohnbau), den jeder Mensch durch eigene Anschauung belegen kann. Auch Österreich wird beispielsweise zugehüttelt. Gates detailreich ausgemalte Pläne das CO2 aus der Bauindustrie und sonstigen Infrastruktur zu bugsieren sind streng technologiebasiert und wachstumsorientiert. Für die Hochöfen müssten Wasserstofflösungen her, der Verkehr muss elektrifiziert werden, die Energie durch erneuerbare Quellen beschafft werden oder eben durch Atomkraft.
Gates plant seit vielen Jahren an handlichen Mini-Atommeilern und stellt sich keine Sekunde den damit verbundenen Problemen und Risiken. Gates‘ Minimeiler sind mehr oder weniger umgebaute Atom-U-Boote, deren Handlichkeit sicherlich auch bei Terrorist*innen beliebt sein dürfte. Einfach in der Innenstadt parken und Woooom! Außerdem diese lästige Frage mit dem Atommüll. Für Gates alles easy-peasy, wird halt irgendwo unter die Erde gebracht und gut ist. Müll kann einen großen Geist wie Gates nicht erschüttern, denn er will ja auch das CO₂ aus der Atmosphäre filtern und in den Boden pressen. Wenn es dann eines Tages wieder aufsteigt, fallen Mensch und Tier halt tot um, wenn sie durch die Gaswolke laufen. Aber komm, das wird schon alles irgendwie klappen.
Gates und Bezos sind gute Beispiele dafür, wie reiche Menschen sich eine Welt machen wie sie ihnen gefällt und sich dabei über praktische Probleme locker-luftig hinwegsetzen. Sie haben einfach gelernt, dass den Dreck immer andere wegputzen müssen. Ihre Pläne sind übergeschnappt und gemeingefährlich, weil damit eine aufrichtige Beschäftigung mit den anstehenden Aufgaben verunmöglicht wird. Der intellektuelle Kredit, der ihnen aufgrund ihres Reichtums zuteilwird, täuscht und ist zugleich das Problem: Wir sind in der heutigen, misslichen Lage als Weltgemeinschaft, weil wir es zugelassen haben, dass Bezos und Gates lächerlich reich wurden mittels einer Ideologie unbeschränkten Wachstums und dem Glauben an unbegrenzte, technische Möglichkeiten.