Erst kürzlich haben 800 Fußballer_innen in Deutschland erklärt, dich zu unterstützen, wenn du dich endlich zeigen würdest. Freut dich das?
Das Erste, was ich mir gedacht hab, als ich von dieser Kampagne hörte, war: Ah, jetzt weiß ich, wer alles nicht schwul oder lesbisch ist bzw. nicht als solches gelten möchte. Indem diese 800 Leute sagen, sie sind solidarisch mit den anderen, sagen sie gleichzeitig auch, dass sie selbst ja keinen Bedarf an dieser Solidarität haben. Es handelt sich hierbei also um ein Massenouting – als heterosexuell, versteht sich. Es gibt zwei Möglichkeiten, um andren zu beweisen, dass ich nicht schwul oder lesbisch bin: Indem ich homophob bin, aber auch indem ich Schwulen und Lesben meine Solidarität erkläre.
Aber zurück zu deiner Frage: Ja, es freut mich, weil es natürlich gut ist, wenn 800 Menschen sagen, dass sie kein Problem mit schwulen Fußballern haben, ja diese sogar unterstützen würden. Und nein, es freut mich nicht, weil diese Aktion, wie viele ähnliche zuvor auch, im Endeffekt mich unter Druck setzt, dass – spätestens jetzt, wo mich doch eh 800 Menschen deutschlandweit unterstützen würden – ich mich doch endlich outen soll. Aber ich sehe überhaupt nicht ein, warum ich jetzt auf einmal jener bin, der handeln muss. Sollte es nicht eher so sein, dass alle anderen endlich dafür sorgen sollten, dass der Sport ein diskriminierungsfreies, sicheres Umfeld ist?
Debatten um Homophobie enden oft in der Frage nach einem Outing.
Genau! Als ob das Problem Homophobie gelöst wäre, wenn ich mich oute – das hieße ja auch, dass letztlich ich dafür verantwortlich bin, ob es eine Lösung gibt oder nicht, dass es an mir läge! Eigentlich ist das eine arge Täter/Opfer-Umkehr.
Und das ständige Gerede über den versteckten schwulen Fußballer ist eine ziemliche Verkürzung des Problems. Es geht ja um Strukturen, um die Schaffung eines diskriminierungsfreien Umfeldes. Ich würde mir wünschen, dass die 800 Unterzeichner_innen sich genau dafür einsetzen, in ihrem Alltag und in den Strukturen, wo sie arbeiten. Erst wenn wir das erreicht haben, sind wir an einem Punkt, an dem jede_r für sich entscheiden kann, ob er_sie sich outen will oder nicht.
Kurz gesagt: Dass der Sport nicht homophob ist, das ist die Verantwortung aller. Ob ich mich oute oder nicht, ist ganz allein meine Angelegenheit.
Woher kommt dieser Fokus auf dich?
Darauf habe ich zwei Antworten: Einerseits ist es natürlich schön, etwas als Maßnahme gegen Homophobie zu verkaufen, wo ich eigentlich gar nichts tun muss – ich muss weder mich selbst noch die Strukturen hinterfragen oder gar ändern. Sondern nur warten, bis sich endlich wer outet.
Und andererseits scheint mir, dass vor allem unter heterosexuellen Menschen eine Art „Coming Out-Fetisch“ herrscht. Und dabei geht es vielleicht weniger darum, wie es mir als queerer Person geht, als darum, dass sie damit ihre eigene Toleranz unter Beweis stellen. Hach wie super ist es nicht, einen schwulen Freund, eine lesbische Freundin zu haben und diese gelegentlich mal auszuführen. Provokant gesagt, erscheint das eigene biedere Leben dann nicht mehr ganz so angepasst.
Und was für Maßnahmen wären sinnvoll?
Massive Bildungsmaßnahmen: Aufklärungs-Workshops in allen Vereinen, Sportschulen, Leistungssportkadern; klare Sanktionen bei Diskriminierung; verpflichtende Quoten; Anlaufstellen und ein Ausbau von Beratungsangeboten für alle; eine Kommunikations- und Widerspruchskultur in den Vereinen; ein radikaler Abbau von Machtverhältnissen und autoritären Strukturen im Sport; ein genereller Fokus auf Sportler_innen als Individuen mit vielfältigen Interessen und Lebensentwürfen und nicht nur als – im Idealfall – medaillenproduzierende Maschinen; geschulte Trainer_innen und Funktionär_innen und so weiter und so fort.