MALMOE

Abwechslung, Unruhe und sonstige romantische Dinge

Am 7. Februar wäre Friedrich Glauser 125 Jahre alt geworden. Weil er aber viel zu arg war für die Welt, wurde er nur 42. Die Kriminalromane mit Wachtmeister Studer sind sein literarisches Vermächtnis

In der Schelleingasse 23 (1040 Wien) erinnert eine Gedenktafel daran, dass in diesem Haus einst der „große Kriminalschriftsteller“ Friedrich Glauser wohnte. 1896 in gutbürgerliche Verhältnisse hineingeboren, lebte Glauser bis zu seiner ihm aufgezwungenen Versetzung in ein Schweizer Internat im Jahr 1910 in diesem Haus. Schon davor gab’s allerlei Probleme, er war schlecht in der Schule, musste im Gymnasium die dritte Klasse wiederholen. Mit 13 unternahm er seinen ersten Fluchtversuch, der ihn immerhin bis Bratislava brachte, wo er von der (k. u. k.) Polizei aufgelesen wurde. Während er darauf wartete, dass der ungeliebte und überkorrekte Vater ihn abholen kommt, steckte man ihn auf der Polizeistation in eine Gemeinschaftszelle. „Der Wärter sollte mich wieder mitnehmen – ich, als Direktorensohn, sollte doch nicht mit Vaganten zu Nacht essen – aber ich wollte bleiben. Schließlich gab mir der Mann einen Napf, und ich aß mit den Menschen, die man gemeinhin Gesindel nennt […]. Ich fühlte eine Zugehörigkeit zu den Leuten, hier war man nicht allein, Lärm gab es und Gesang und Flüche, die ich nicht verstand. Noch merkwürdiger vielleicht ist es, daß die Leute mich als einen der ihren ansahen.“

Die von Glauser entworfene Figur des Wachtmeister Studer kann man im weitesten Sinn als Alter Ego des Autors bezeichnen, wenngleich sich die beiden rein äußerlich gar nicht ähneln. „Der Fahnder, den sogar die Häftlinge mit ‚Eh, der Studer!‘ begrüßen, ist ein massiger Mann ‚schwer und hart wie einer jener Felsblöcke, die man auf Alpwiesen sieht‘“, schrieb Georg Hensel einmal in einer Rezension für die Süddeutsche Zeitung. Was Überzeugungen und Ansichten betrifft, verwendete Glauser den Wachtmeister aber sehr wohl als sein Sprachrohr. „Es ist ein Angeschlagener, der sich an eine angeschlagene Gesellschaft macht“, wie Hugo Loetscher im Nachwort zu Wachtmeister Studer treffend bemerkt. Glauser macht in seinen Romanen überhaupt keinen Hehl daraus, wem seine Sympathien gelten: den von der Gesellschaft Geächteten, den vermeintlichen Verbrechern, auf die man leicht mit dem Finger zeigen kann. Aber auch jenen, die sich solidarisch mit den Geächteten erklären. Da gibt es zum Beispiel Dr. med. Neuenschwander: „Er hatte die merkwürdige Angewohnheit, den reichen Bauern sehr hohe Rechnungen zu stellen. Dafür vergaß er manchmal bei anderen Leuten eine Zwanzigernote oder einen Fünfliber auf dem Küchentisch.”

Auch den Konsum von Rauschmitteln betreffend sind sich Autor und Romanfigur nicht unähnlich. Doch während sich der Wachtmeister mit seiner ewig im Mundwinkel sitzenden Brissago und seiner Vorliebe für verschiedenste Alkohole stets im mehr oder weniger legalen Bereich aufhält, hat Glausers früh entdecktes Interesse an Morphium, Opium und Äther ihm ein Leben eingebracht, das sich hauptsächlich in Gefängnissen, Entzugs- und Irrenanstalten abspielte. Ständige Selbstzweifel und einige Selbstmordversuche inklusive. „Ich bin von einer Mürbe, die bei einer Linzertorte vielleicht als Qualität aufgefasst würde, aber bei einem Menschen nur eine große Schweinerei ist.“
Nach seiner Matura in Zürich schloss sich Glauser den Dadaist_innen an und forcierte eine Karriere als Schriftsteller, die aber nicht recht ins Rollen geraten wollte. Immer wieder und immer öfter wurde er aus der Bahn geworfen, da half auch eine Zwischenstation in der Fremdenlegion nichts. Schließlich fand er im Krimi seine Gattung: „Sie rümpfen die Nase wegen meiner Beschäftigung mit dem Kriminalroman. Erlauben Sie, daß ich mich ein wenig verteidige … Mein Ehrgeiz strebt nicht danach, von Literaturbonzen ernst genommen zu werden.“ Hoch soll er leben!

Friedrich Glauser (1989): Wachtmeister Studer. Diogenes Verlag, Zürich. Selbstverständlich erhältlich im Stuwerbuch, Stuwerstraße 42, 1020 Wien.