Rockhampton
Chris „Pineapple“ Hooper trägt übrigens keine Schuhe und fährt immer nur Fahrrad. Beinahe wäre er jetzt Bürgermeister der australischen 60.000-Einwohner-Stadt Rockhampton geworden. Die Regierung des Bundesstaats Queensland in Brisbane unterband dies gerade noch rechtzeitig per Wahlgesetzänderung, um die Stadt nicht in die (vermutlich schmutzigen) Hände eines Hippies zu geben. Auch am anderen Ende der Welt wird durch diese Episode deutlich, dass überall das gleiche Spiel gespielt wird. Es macht auch keinen Unterschied, dass in Queensland mit Labor nominell Sozialdemokrat*innen an der Macht sind. Worum ging es? Rockhampton gehört ganz dem Kohlebergbau, also den Leuten, die uns alle umbringen wollen. Jetzt, wo der neue Feuersommer in Australien ausbricht, dürfte das eigentlich allen klar sein. Der Konzern Adani, der auch dafür sorgt, dass in Delhi die Gipfel des Himalaya wieder hinter dickem Rauch verschwinden (trotz Covid-Pause sind die indischen Schadstoffwerte schon längst wieder auf Rekordniveau), hatte die alte Bürgermeisterin von Rockhampton bestochen. Die Sache flog auf, die Dame musste gehen und der Umweltaktivist „Pineapple“ Hooper wäre als Zweitplatzierter auf den Bürgermeistersessel nachgerückt. Hooper war als Anti-Adani-Aktivist zu Berühmtheit gelangt und sorgt sich – berechtigterweise – um die Lebensmöglichkeiten auf diesem Planeten, die durch die schmutzigste Industrie in der Geschichte der Menschheit eben sehr gefährdet sind. Weil aber der Regierung in Brisbane die Zuwendungen der Fossil-Energie-Konzerne zu wichtig sind, erließ man eine Änderung des von der gleichen Regierung erlassenen Wahlgesetzes und verfügte eine Zwischenwahl, um Bürgermeister Chris „Pineapple“ Hooper zu verhindern. Wir lernen drei Dinge: 1. Hippies haben es nicht leicht. 2. Gesetze gelten nur für „Kleine“, den „Großen“ machen die Regierungen gerne neue. 3. Auch wenn das Land sommers in Flammen steht, tut nicht einmal die australische Labor-Partei etwas gegen den Klimawandel.
St. Louis
Der Ausgang der US-Wahlen war eine enorme Enttäuschung. Wer sich allerdings fragt, was die Republikaner noch an Gemeinheiten machen müssen, welche unterirdischen und offensichtlich ungeeigneten Kandidat*innen sie noch ausgraben müssen, um endlich eine Wahl krachend zu verlieren, verkennt das Problem. Denn das Problem sind die angeblich links-liberalen Demokraten. Barack Obama scherzte einst, er sei eigentlich ein Republikaner aus den 1980er Jahren. Die Demokraten versuchen bei Wahlen letztlich einen konservativen Status quo zu erhalten, der im Wesentlichen ihren Spender*innen gefällt, die die demokratischen Politiker*innen mit Unsummen alimentieren. Glücklicherweise wächst der Widerstand. Der Kampf gegen die protofaschistischen Republikaner muss in den Vorwahlen gegen die konservativen Demokraten geführt werden. Dies ist sehr schwer, da das ganze Establishment aus Regierung, Medien, Unternehmen und Politik gegen einen arbeitet. Manchmal gelingt es aber, wie im Fall von Cori Anika Bush, die den Einzug ins Repräsentantenhaus schaffte. Die alleinerziehende Mutter, die mit ihren zwei Kindern zeitweilig in der Obdachlosigkeit leben musste, obwohl sie als Krankenschwester arbeitete, sagte in ihrer Dankesrede: „Ich war diese Person, die vor ihrem Missbraucher davonlief. Ich hörte die Pistolenkugeln an meinem Kopf vorbeizischen und fragte mich: ‚Werde ich es aus diesem Leben herausschaffen?‘ Ich hatte keine Krankenversicherung und hoffte, dass mir die Scham erspart bliebe sagen zu müssen, dass ich ohne Versicherung bin. Ich fragte mich: ‚Wie halte ich dies aus?‘ Ich war alleinerziehende Mutter, die von Lohnscheck zu Lohnscheck schuftete, und saß vor dem Lohnbüro und fragte mich: ‚Wie viel muss ich noch opfern?‘ Ich war Covid-Patientin, die um ihren Atem ringen musste, und fragte mich: ‚Wann werde ich wieder frei atmen können?‘ Ich bin immer noch die gleiche Person und ich bin stolz, heute vor Ihnen stehen zu können und sagen zu dürfen, es war diese Person, mit diesen Erfahrungen, eine schwarze Frau, eine Krankenschwester, eine alleinerziehende Mutter, die nun die Ehre haben wird, meine Stadt und meine Kommune St. Louis im Kongress der Vereinigten Staaten vertreten zu dürfen.“