„Wann de glasln nimma scheban, und de gmiatdlichkeit erlischt
Wann de wundn nimma weh dan, und de woaheit mi dawischt.“
(Sperrstunde von Seiler und Speer)
Ja dann ist sie da: die Sperrstunde! Mal später, mal früher oder aktuell dauerhaft. Unumstritten war sie nie, nicht selten begleitet von einer kleinen Prügelei, zumeist aber zumindest umrahmt von einem lallenden „Biiiiiiite! Nur noch eiiiiiines!“ Doch aktuell ist sie zur Messlatte geworden, wie ernst es die Politik mit dem Virus meint. MALMOE traf sie zum Talk.
Wie geht’s dir in Anbetracht deiner aktuellen Prominenz?
Am liebsten bin ich eigentlich ganz leise. Schließe meine Pforten hinter dem letzten Gast, ziehe die Rollläden herunter, dreh den Schlüssel um und gönne mir dann meist selbst ein Schnapserl. Oder zwei. „Sperrstund is, (…) ahh i freu mi, hob a bissal Ruh.“ So sagte dereinst der Hans Moser. Am nächsten Tag bin ich ja dann eh wieder da. Entsprechend wenig kann ich anfangen mit dem aktuellen Gedöns. Ob ich zu Silvester früher dran bin oder später, irgendwie ist diese Diskussion traurig. Als ob es an mir läge, wie verantwortungslos sich die Menschen verhalten.
Generell wird mir viel zu Lasten gelegt – immer zu früh zu komme ich, und unfair bin ich obendrein! Weil die eine hat noch ein volles Glas, und die nächste bekommt keins mehr. Gäste hassen mich, Kellner_innen lieben mich – endlich Feierabend! Wenngleich meine Durchsetzung auch ihnen ein Graus ist.
Manchen bin ich zu liberal – insbesondere Nachbar_innen von Gaststätten, die jeden Abend um ihre Nachtruhe bangen – anderen nicht liberal genug. Da gibt es sogar Protestlieder, die für die Aufhebung meiner Wenigkeit eintreten. Allen recht kann ich es sowieso nicht machen.
Wie bist du in Österreich geregelt?
Wenn nicht gerade Corona durch die Lande zieht, bin ich Ländersache. Und je nach Etablissement – ob Kaffeehaus, Disco oder Bar – gelten unterschiedliche Zeiten. Später als 6 Uhr bin ich aber nie – wobei das eh schon der nächste Morgen ist. Mir ist die Uhrzeit grundsätzlich egal, denn irgendwann ist es einfach immer so weit: „Sperrstund is, jo irgendeinmal, macht jedes Lokal a bissal zu.“
Wie lange gibt es dich schon?
Seit dem späten Mittelalter – damals ging es auch um den Schutz vor Feuer. Weil die Menschen ja dann mit den Laternen nachhause gegangen sind, volltrunken ist da nicht selten wer umgefallen und hat einen halben Stadtteil angezündet.
Neben diesen ordnungspolitischen Gründen sowie dem Schutz der Nachtruhe habe ich aber auch eine moralische Seite: Wenn ich früher bin, dann trinken die Menschen weniger Alkohol, heißt es. Wobei das die englischen Pubs eindrücklich widerlegt haben: Wenn früher zugesperrt wird, wird nicht weniger, sondern schneller getrunken. Und die Folgen können sie sich vorstellen.
Was wünscht du dir für die Zukunft?
Als große Anhängerin des mittelalterlichen Minnegesangs erhoffe ich mir bald wieder ein neues, schönes Lied auf mich. Es gibt ja so viel Wunderbares, zum Beispiel die Band „Der singende Tresen“, die machen selbsternannte Sperrstundenmusik, nur leider wenig erfolgreich: weil danach wirklich niemand nachhause gehen will.