MALMOE

Wienwahlkampf

Es geht nicht anders, sie zwingen uns. MALMOE muss auch bei dieser Wahl wieder auf die Plakate der wahlwerbenden Parteien in Wien blicken, denn die sind einfach je ne sais quoi. Deutlich wird auf den formschönen Bild-Text-Kombis ein gemeinsames Motiv: Unsere Volksvertreter*innen halten uns einfach für kacksi-dumm.

ÖVP

Die Anfrage des Fotografen, welche vier verschiedenen Blicke Gernot Blümel denn aufsetzen könne, nachdem er einen Besenstil verschluckt hat, beantwortet dieser souverän mit einem einzigen. So blickt er zu Sicherheit, Leistung, Wirtschaften und Integration auf den Plakaten immer gleich, schließlich sind dies auch Themen, zu denen Blümel nicht einmal ein Spruch einfällt. Er wünscht sie sich halt einfach für Wien. Ähhh ja, Leistung für Wien. Okay. Wirtschaften für Wien – irgendwie logisch. Nur, was will uns der Dichter damit überhaupt sagen? Vermutlich denkt er einzig darüber nach, wie er den verschluckten Besenstil wieder ausgekotzt bekommt. Blümels Verzweiflung gipfelt in dem Angebot Reden wir über Wien. Denn da hätte er ja zumindest einmal vier Schlagworte und noch den Hinweis parat, es gäbe kaum Wichtigeres, als Wien nach vorne zu bringen. Die ohnehin nicht durch blitzgescheite Impulse auffallende ÖVP hat mit dieser Kampagne eine neue Talsohle des sinnentleerten Personalisierens erreicht. Dem Publik wird gezeigt: Schaut, wir haben hier diesen aalglatten Krawattenarsch, wählt den doch einfach und ansonsten sagen wir nix. Kombiniert mit der konzentrierten Aktion der Bundesregierung (in der Blümel halbtags als Finanzminister jobbt), ergibt dies dann wiederum sogar einen Sinn. Denn der türkise Teil der BuReg scheint kein anderes Programm zu haben, als möglichst täglich zu verlautbaren, was alles in Wien schlecht läuft. Aber schreibt man das auf ein Plakat?

FPÖ

Dafür gibt es nämlich die Blauen, die endlich deutlich sagen, was sie an Wien nicht mögen. Islam zum Beispiel (Wer hätte das kommen sehen?) oder arbeitsscheue Ausländer, die das Geld mit der Schreibtruhe aus dem AMS schleppen. Eine sicherlich übliche Praxis in der FPÖ, die bekanntlich gerne mal die großen Scheine verschwinden lässt. Wenn sie dabei erwischt werden (was fast immer geschieht), dann drehen sie sich gerne um und zeigen dem nächstbesten kleinen und ahnungslosen Mädchen den Stephansdom. So wie es folgerichtig auf einem weiteren Plakat der FPÖ zu sehen ist. Denn wenn alle schön blöd Richtung unsere Kultur, unser schönes Wien und unser Daham schauen, dann lassen sich die nächsten Golddukaten wegschaffen. Wie man so einen Polit-Ansatz nennen könnte? Hier verbietet sich jedes Wortspiel mit dem Namen des neuen FPÖ-Vorsitzenden Dominik Nepp, denn was hier dahintersteckt ist bekanntlich ein politischer Sebastian Kurzschluss. Einfach Heimat trommeln und während alle im dreiviertel Takt mitklatschen, kann man machen, was man will.

SPÖ

Hatte die Göttin Shiva schlappe vier Arme, so hat Bürgermeister Michael Ludwig mindestens acht Hände. Die sind stark, sicher, sozial und kompetent, Da weiß man nicht, ob man von dem auf väterlich und vertrauensvoll getrimmten Herrn lieber die soziale oder die kompetente Hand entgegennehmen will. Die SPÖ sei eben die Wienpartei und bietet dem Elektorat an: Sei dabei. Gütige, vielarmige Göttin aller sinnentleerten Wahlsprüche, was soll der Spruch sei dabei im Zusammenhang einer Wahl überhaupt bedeuten? Sei dabei, bei Ludwig 2020, während er seine Hände überall hat? Das soll die Wähler*innen jetzt weshalb motivieren? Die Sache mit den Wahlversprechen ist ohnehin nicht Sache der SPÖ, die sich chronisch nicht an das hält, was sie verspricht. Was die Plakate ansonsten transportieren, ist das dialektische Gegengewicht zu FPÖVP, während diese nämlich irgendwie versuchen, das Haar in der Suppe zu finden und Ängste und Sorgen zu schüren, malen die Roten alles rosarot. Die Lobpreisungen der Stadt haben nur einen seltsamen Beigeschmack. Die SPÖ preist Wien in einer überbordenden Weise an, dass man das Gefühl bekommen kann, sie versuchen, die Stadt zu verkaufen.

Links

Wir haben euch ja eh so lieb und wünschen uns so sehr eine linke Alternative für Wien und wir freuen uns auch über Sponti-Sprüche. Allerdings, warum ausgerechnet diese? Also das Links gegen Rechts ist natürlich als Selbstreferenzialität ein Gusto-Stückerl. Anscheinend setzten die Werbestrateg*innen der neuen Gruppierung, so wie jene der alten Parteien, ganz auf kleinschrittige Didaktik und hoffen, dass das Publikum sich denkt: Ach so, jetzt kapiere ich: Links bedeutet links. Ansonsten ist das Sprüchlein Häupl würde Links wählen nicht unbedingt ein Ausweis für innovative linke Politik, denn wenn eine neue Partei oder ein Wahlbündnis (?) mit einem pensionierten SPÖ-Politiker wirbt, dann spricht das nicht für frische Ideen. Ebenso verkennt der Spruch Diesmal Links wählen, sieht ja niemand, die Seelenlage der Bevölkerung. Angst vor Strafe bei der Wahl hat wohl niemand, nur die Furcht, niemals gesehen zu werden, sitzt tief. Genau hier könnte eine neue linke Politik mit echtem Mitgefühl und aufrichtiger Anteilnahme wohl mehr punkten als mit ein paar halb-kessen Sprüchen.

HC

Zu lesen ist auf den wenig ambitionierten Plakaten: Gemeinsam. Aufstehen. Für Wien. Besser wäre: Liegen. Bleiben. Für immer. Ansonsten letzte Worte zum Nosferatu-Heinz: Geh’ bitte.

NEOS

Weil’s nicht wurscht ist lautet der Wahlspruch des neoliberalen Flügels der ÖVP, der letzte Reste an Moral, Anstand und Bürgerrechten beizubehalten gedenkt. Auch ein Spruch, der als Höchstleistung geistigen Tiefflugs betrachtet werden darf. Denn wer glaubt denn, dass es wurscht sei? Covid, Climate-Change, Krieg, Elend noch und nöcher und das Abgleiten alter Demokratien in Diktaturen wären so ein paar Stichworte fürs pinke Brainstorming gewesen. Aber die kennen ihre Klientel zu gut und wissen, dass den selbstbezogenen Oaschgeigen, die sie wählen, so etwas weitestgehend am Popöchen vorbeiweht. Nur ein Thema ist ihnen wichtig: die Wirtschaft, und für die wollen die Pinken brennen. Sollen sie gerne und am Ende dann bitte die Asche wegkehren. In der Flüchtlingsfrage zeigen die Pinken aktuell zwar Kante, und da könnte man sie loben, wenn nicht allzu offensichtlich wäre, dass dies nur ein Versuch ist, die intellektuell und politisch am Boden liegenden Grünen auszubeuteln. Der Versuch, tief enttäuschte Grün-Wähler*innen einzusammeln, könnte sogar funktionieren, denn diese sind es gewohnt, dass man Moral, Anstand und Sorge um den Fortbestand der Zivilisation bloß vorgetäuscht bekommt.

Die Grünen

Es wäre lustig, wenn es nicht so traurig wäre. Wer schafft gesundes Klima, wenn nicht Wien? Stimmt, Wien wird es vielleicht schaffen, nur die Grünen halt nicht. Birgit Hebein muss die Verzweiflung dann irgendwann ins Gebein gefahren sein, als sie endlich anfing, über die grüne Bundespartei zu stänkern. Die starteten in die Koalition mit der ÖVP mittels eines politischen Offenbarungseids: Es sei eben nix anderes möglich, um dann ihre ganze Energie in die Erfindung von Ausreden zu stecken. Das beste, schlüssigste und ehrlichste Wahlplakat hätte deswegen lauten sollen: Wer bringt die Grünen zur Vernunft, wenn nicht Wien? Wäre schön, wenn es so wäre. Ein wohlverdienter Absturz, ein Parteizwist bis zur Beinahe-Spaltung, um endlich die unleidige Koalition aufzukündigen, und dann freuen wir uns in MALMOE 94 über die Möglichkeit zur Begutachtung der nächsten Nationalratswahlplakate. Wünschen wird man ja noch dürfen.