MALMOE

Von Narren und Schelmen

Bike.Polo.Stadt. #20

Bikepoloturniere sind wie gute Lokale – es gibt wenige und häufig sind sie bereits voll, wenn man kommt. Deshalb plant die umsichtige BikepolospielerIn früh und verliert den Zeitpunkt der Anmeldung nicht aus den Augen. Überraschend ähnlich dem Versuch sich für ein begehrtes Seminar an der Uni anzumelden. Da soll noch einer sagen, Universitäten bereiten nicht aufs Leben vor. Zumindest galt all dies vor Corona.

Im Jahr 2000 plante ich auf sieben Turniere zu fahren. Geworden ist es eines, alle anderen mussten abgesagt werden. Das eine fand im kroatischen Karlovac statt, ein ruhiges, gemütliches Städtchen umgeben von schöner, teils atemberaubender Natur. Sehr authentisch in seiner Unaufgeregtheit, bietet es oberflächlich betrachtet nichts touristisch Verwertbares und ist gerade deshalb auf jeden Fall einen Besuch wert. Auch ohne Polo.

Dieses Turnier fand statt, weil sich die Veranstalterin durch nichts beirren ließ. Nicht durch den Virus und vor allem nicht durch die Behörden. Ich glaube, die allermeisten Turniere die dieses Jahr stattfinden konnten, fanden nicht deshalb statt, weil der Virus sich in der jeweiligen Region weniger verbreitete,  sondern weil die VeranstalterInnen das Hin und Her ihrer Verwaltung ignorierten und sich ganz auf präventive Schutzmaßnahmen und ein bestmögliches Poloturnier konzentrierten.

Was immer wieder seit Beginn der Pandemie auffällt, ist wie weit die Vorstellung unserer Organisiertheit und die Realität auseinanderklaffen. Hier im politischen Westen halten wir uns besonders gerne für gut organisiert, für geordnet im weitesten Sinne. Trotzdem hat diese Pandemie – nur zwei kleine Erinnerungen an alle jene, die nun an Verharmlosung denken: spanische Grippe 50 Millionen Tote, der schwarze Tod 25 Millionen Tote, beide Pandemien bei einer aus heutiger Sicht winzigen Erdbevölkerung – immer wieder zu einer völlig unangebrachten Aufregung und Irrationalität in unseren Verwaltungen geführt. Ich erwische mich in den letzten Monaten immer wieder einmal bei der Frage: Was wäre wenn wir es mit einem wirklich gefährlichen Virus zu tun hätten? Einem mit hoher Letalitätsrate und noch höherer Ansteckungswahrscheinlichkeit oder gar, wenn die Toten nicht mehr in ihren Gräbern blieben?  Wie würde Herr Kurz reagieren? Auf jeden Fall zuallererst mit einer Pressekonferenz, Thema: „Wie uns die Sozialdemokratie die Zombie-Seuche beschert hat“, auf der er uns erklärt, dass die Zombies nur aus dem sozialdemokratischen Milieu kommen können, denn die einzig andere denkbare Möglichkeit – die Balkanroute – habe er persönlich geschlossen.

Manchmal wirkte es in den letzten Monaten fast so als wären wir schlechter organisiert als zur Spanischen Grippe Pandemie vor mehr als 100 Jahren. Mangelt es uns am Willen zu Entscheidungen? Wir reden von einem Virus, gegen den einige wenige einfache Hygienemaßnahmen und soziale Einschränkungen, wie wir mittlerweile wissen, völlig ausreichen um eine weite Verbreitung zu verhindern. Wir wissen heute, dass das Verbot von Großveranstaltungen und die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes die Todesraten bei der Spanischen Grippe um etwa 50% senkten – 50 Millionen Menschenleben.  Diese Maßnahmen wurden konsequent beibehalten, auch wenn der Virus schwächer wurde. Warum schaffen wir das heute nicht?

Irgendwo zwischen Lockdown und Scheiß-auf-den-Virus gäbe es einige wenige sinnvolle Maßnahmen, die für jeden erträglich sein sollten. Island und Schweden haben es vorgemacht. Zuwenig und Zuviel ist dem Narren sein Ziel, sagt ein altes Sprichwort. Haben wir vielleicht heute mehr Narren in unseren Verwaltungen als vor 100 Jahren?

Kein Narr aber ein Schelm, wer die Möglichkeit in Betracht zieht, dass nicht alles so unorganisiert ist wie es den Anschein hat. Dass die getroffenen Maßnahmen, das ständig Hin und Her, die scheinbare Irrationalität vielleicht gar nicht so planlos, so bar jeden Willens zu Entscheidungen ist, sondern durchaus gewollt. Vielleicht muten die Maßnahmen nur deshalb so konfus an, weil ihr Hintergedanke gar nicht der bestmögliche Schutz der Bevölkerung sondern der bestmögliche Schutz der Investitionen der GeldgeberInnen der ÖVP ist. 

Nein, vergessen sie das gleich wieder! Ein Schelm wer so etwas auch nur denkt.

3, 2, 1 – Mund-Nasenschutz tragen und trotzdem Polo spielen.