Yo Fallobst, was liegstn’ hier schon wieder so herum?
Ach Mensch, weißt du, das ist so eine Sache. Seit die Supermärkte sich wirklich bis in die letzten Meter der noch so unbewohnten Peripherie ausgebreitet haben, bleib ich liegen. Diverseste Obst- und Gemüsesorten sind übers ganze Jahr verfügbar und mit einem Handgriff oder gar einem Klick im (virtuellen) Einkaufswagen. Die Leute scheinen wahrlich vergessen zu haben, dass es mich überhaupt gibt. Hin und wieder werde ich von Kindern aufgegriffen, die mich irritiert mustern und dann durch die Luft auf andere Kinder schmeißen. Manchmal macht sich ein Schwarm Wespen über mich her. Leider bin ich auch da nur zweite Wahl, da sie sich viel lieber auf süße Limonaden oder Käsekrainer stürzen, die Mistkübel für sich reklamieren oder den Kindern einen dicken Finger verpassen. Manchmal glaube ich wirklich, dass meine Tage als Nutzfrucht gezählt sind.
Aber was ist denn mit den ganzen Trends um lokale Biofrüchte und selbstgemachte „heimische“ Marmeladen?
Du bist lustig, seitdem nicht nur überall Supermärkte sind, sondern auch alles über ein umfangreiches Straßennetz verbunden ist, kann von Bio keine Rede sein. Oft liege ich ja am Straßenrand, zermatscht und halb auf dem Asphalt. Und, jetzt halt dich fest, Anrainer_innen führen Gerichtsprozesse darüber, ob ich Besitz des Grundstücks bin, auf dem der Baum wächst, oder ob ich zum öffentlichen Weg gehöre, auf den ich gefallen bin. Die Leute streiten darüber, wessen Müll ich bin.
Die ganze Verrechtlichung von Natur ist dabei nicht ganz unwesentlich. Mit den größeren Einhegungen des Gemeinguts zu Beginn des Kapitalismus wurde ich komplexen Eigentumsgesetzen unterworfen. Und jetzt haben die Leute Angst, als Dieb_in zu gelten, weil sie einen Apfel von irgendeinem Baum essen – absurd, oder?
Und ja, den Trend um selbsteingekochte Marmeladen habe ich mitbekommen, es gibt ja sogar eine „Digital Map“, auf der Obstbäume vermerkt sind und wo eine_r vorbeifahren und sich bedienen kann. Grundsätzlich eine super Idee, leider ereilen mir dabei oft zwei Schicksale: Entweder ende ich als ungeöffnete Konfitüre im Regal, bis ich beim nächsten Umzug ausgemustert werde, oder aber ich werde breitgrinsend auf Palatschinken verschmiert und dann für Monate im Kühlschrank vergessen, bis die unfreudige Überraschung kommt: einmal benutzt und komplett verschimmelt. Ganz selten passiert es, dass ich in einen wunderbaren Apple Crumble verwandelt werde, das gefällt mir richtig gut. Mit einer Note Zimt und die Streusel mit dem Geschmack von Zitronenschalen verfeinert – du weißt bestimmt, wovon ich spreche.
Aber sag, wie geht’s dir mit all dem?
Du, weißt du, ich mach das Beste draus, erinnere mich meiner höheren Bestimmung als gute Humuserde und bereite mich aufs Verrotten vor. Bis dahin führe ich hitzige Debatten darüber, wer zuerst da war: Ich oder der Wurm.