MALMOE 93, Oktober 2020
Ein havariertes Schiff mit muslimischen Pilger*innen wird auf hoher See von der Mannschaft verlassen. Durch einen Zufall wird das Schiff gerettet und der Mannschaft, die die Passagier*innen dem beinahe sicheren Tod überantwortet hatte, soll der Prozess gemacht werden. Ein einziger Mann stellt sich seiner Verantwortung. Soweit der hochaktuelle Plot von Joseph Conrads Lord Jim aus dem Jahr 1899. In dem Roman zeigt Conrad auf, dass der Protagonist Lord Jim „einer von uns“ ist, der in seinem Gerichtsprozess darum kämpft, seiner Mitwelt verbunden zu bleiben. Das ist der tiefe Sinn der Übernahme von Verantwortung. Die „Halunken“ hingegen verlieren diesen Bezug und dürfen auf nichts mehr hoffen. Dieses Gefühl für den Abgrund der rettungslosen Einsamkeit aller Betrüger*innen, scheint weitgehend aus der heutigen Politik getilgt zu sein. Wenn es um das Elend der Flüchtenden auf See geht, dann gibt es bestenfalls schäbige Ausflüchte zu hören. Was soll man noch groß zu Kurz, Schallenberg und Co. sagen, die den Tod ihrer Mitmenschen nicht gerne „emotionalisiert“ erörtern wollen? Joseph Conrads Urteil wäre eindeutig: Halunken seid ihr und nichts anderes. Der moralischen Krise im Umgang mit Geflüchteten widmen wir in dieser Ausgabe einen Schwerpunkt.
Das Weltbild, das Politiker*innen transportieren, die meinen, „Flüchtlingsabwehr“ könnte rational und geradezu technokratisch begründet werden, ist im Kern ein faschistisches. Denn letztlich gründet diese Politik alles auf der Macht und dem Machterhalt. Jede andere Abwägung wird heimlich als Schwäche angesehen. Eine Antifa, die sich dem entgegenstellt, ist heute wichtiger denn je. Der Antifa widmen sich die Beiträge im Diskursiv.
Ach ja, in Wien wird gewählt. Wir analysieren und polemisieren an verschiedenen Stellen der Ausgabe. Das ganze gibt es dann auch Live zu sehen und zu hören, beim „BAM!-Wahlspezial“ im Wiener Fluc am Wahlabend dem 11.10.2020, wo wir gemeinsam mit unseren lieben Kolleg*innen vom Bündnis Alternativer Medien den Wahlausgang diskutieren und vielleicht gemeinsam ein Trost- oder Feierbierchen schlürfen. Alles natürlich mit Covid-Sicherheitsabstand.
Herzlichst,
die MALMOE-Redaktion
P.S.: Mit dieser Ausgabe heißt es Abschied nehmen. Von Lulu, Flitzkacke, Blut und Sperma, denn unsere beliebte Kolumne „Wunderbare Welt der Körpersäfte“ von Rosa Costa musste leider enden. Wir sagen Danke für die schöne Serie und wünschten uns heimlich, dass es noch mehr Körperflüssigkeiten gäbe.