MALMOE

Wer lacht hier über wen?

Passen Humor und Abtreibung zusammen?

„Ein paar lustige Filme?“, fragte letztens ein Freund unter einem Post auf meiner Facebook-Pinnwand. Ich hatte einen Text von mir über die Darstellungen von Abtreibungen in Filmen und Serien geteilt. Dazu schrieb ich: „Wer ein paar Abtreibungsfilmtipps für die Quarantäne braucht, schreibt mir! Sind auch ein paar lustige dabei.“ Der Freund war nicht der einzige, der verdutzt reagierte. Eine Bekannte von früher schrieb: „Hut ab, wer darüber lachen kann … Dass es ein Trauma sein kann, ungewollt schwanger zu sein, glaube ich, aber Abtreibung zu verharmlosen und darüber zu lachen, finde ich irgendwie befremdlich.“ Dieser Kommentar verdutzte mich wiederum nicht. Denn obwohl es in meinem Post und den angesprochenen Filmen weder um Verharmlosung noch darum, sich über Abtreibungen lustig zu machen, ging, schrecken viele, wie meine Pro-Choice-Freund*innen, bei der Kombination Abtreibung und Humor erstmal zurück.

Gibt es so etwas wie eine „abortion comedy“?

Die Irritation darüber, dass Filme zu dem Thema lustig sein können, findet sich nicht nur auf meiner Facebook-Wand wieder. Die Regisseurin des Films Obvious Child (US 2014), Gillian Robespierre, musste sich mit ähnlichen Vorwürfen, hauptsächlich von konservativen Gruppen, auseinandersetzen. Ihr als „abortion comedy“ vermarkteter Spielfilm würde das Thema zu leicht oder falsch darstellen. Aber nichts davon ist der Fall. Obvious Child zeigt das Leben der Buchladenmitarbeiterin und Stand-Up-Komikerin Donna (gespielt von Jenny Slate, die auch im echten Leben auf Stand-Up-Bühnen steht) in New York. Als Donna von einem One-Night-Stand schwanger wird, entscheidet sie sich relativ schnell und klar für einen Abbruch, wobei sie sehr liebevoll und urteilsfrei von ihrer abtreibungserfahrenen, besten Freundin Nellie unterstützt wird. Der Film wird getragen von einer starken Hauptfigur, die weiß, was sie will, komplexen Emotionen wie Trauer und Enttäuschung über sich selbst, und eben Humor: Als Donna ihrer Mutter von der bevorstehenden Abtreibung erzählt, nimmt diese mit einem Witz die Schwere aus der Unterhaltung: „Gott sei Dank, ich dachte schon, du erzählst mir jetzt, du ziehst nach LA.“ Am Tag des Abtreibungstermins ruft Nellie ein Taxi mit der Aussage: „Wir treiben mit Stil ab.“ Dazwischen thematisiert Donna ihre Abtreibung bei einem Stand-Up-Gig auf der Bühne und übernimmt damit die Regie über ihre eigene Geschichte.

Humor macht Dinge sagbar

Dass Robespierre gar nicht so zufrieden war mit dem Label „abortion comedy“, erzählte sie nach der Filmveröffentlichung in einem Interview. Sie würde das Thema Abtreibung ohne Stigma behandeln, aber nicht ohne Komplexität. Die Reduzierung auf „abortion comedy“ werde dem Film deswegen nicht gerecht. An anderer Stelle betonte die Schauspielerin Jenny Slate: „Der Film behauptet nicht, dass Abtreibungen lustig sind. Er behauptet, dass Menschen lustig sind.“ Und genau das ist der treffende Punkt. Humorvolle Filme wie Obvious Child wollen zeigen, dass Abtreibungen Teil eines alltäglichen Lebens sein können, statt – wie in überdramatisierten Hollywood-Filmen und Vorabendserien gerne behauptet – immer lebenseinschneidende oder sogar -beendende Ereignisse. Humor erlaubt jenen, die selbst Abtreibungserfahrungen haben oder potentiell von Zugangsbeschränkungen und Stigmatisierung betroffen sind, einen Umgang zu finden und dem Thema Leichtigkeit zu verleihen. So formuliert es auch die Komikerin Jena Friedman: „Ich versuche Humor bei all den Sachen zu finden, die für mich nicht so lustig sind; Sachen, über die ich Angst hatte zu sprechen.“

Claiming your own Abtreibungsgeschichte

Humor verleiht Handlungsfähigkeit und, wie bei Donna auf der Stand-Up-Bühne, die Möglichkeit, über das eigene Narrativ selbst zu bestimmen. Der entscheidende Unterschied ist dabei, von wem der Witz gemacht wird. Und diese Debatte ist nicht neu. Wird Humor benutzt, um sich von einer privilegierten Position aus über andere lustig zu machen? Oder funktioniert Humor als Coping-Strategie und Kritik an Herrschaftsverhältnissen? Bei fast all den Serien und Filmen mit Comedy-Elementen, die ich im Laufe des letzten Jahres geschaut habe, gehen die Witze von jenen Figuren aus, die selbst eine Abtreibung bekommen. Ob Serien wie Sex Education (UK 2019), Glow (US 2017), Please Like Me (AUS 2013), Claws (US 2017) oder der Film Nordrand (AT 1999), sie alle finden Momente, in denen durch lustige Dialoge Erleichterung oder Kritik ausgedrückt wird. So antwortet die Teenagerin Maeve in Sex Education auf die Frage einer Klinik-Mitarbeiterin, ob sie auch über Adoption nachgedacht habe, mit: „Ich glaube kaum, dass jemand eine schwangere 17-Jährige adoptieren will.“ Und als Jasmin in Nordrand ihrer Freundin Tamara (beide hatten ein paar Wochen davor eine Abtreibung) vorschlägt, ein Weihnachtslied zu singen: „Was weiß i? Ihr Kinderlein kommet?“, kommentiert Tamara lächelnd: „Nicht sehr angebracht“, woraufhin beide lauthals lachen.

Nur selten, wie zum Beispiel im Film Citizen Ruth (US 1996), wird Humor auf Kosten der ungewollt schwangeren Person eingesetzt. Citizen Ruth versucht die US-amerikanischen Anti-Choice- und Pro-Choice-Bewegungen zu parodieren, benutzt dafür aber eine Hauptfigur (Ruth), die durch den Film hinweg klassistische und sexistische Unterdrückung erfährt und zwischen den beiden Bewegungen hin- und hergereicht wird. Die Idee, die Absurdität des Anti-Choice/Pro-Choice-Konflikts zu zeigen, lässt Ruth selbst hauptsächlich handlungsunfähig und als Opfer der vom Film kreierten Umstände zurück.

Lockerheit statt immer nur Ernst

Nicht zuletzt bietet Humor neben Coping-Strategien und Selbstbestimmung natürlich auch diesen entscheidenden Vorteil: Wenn das Lustigmachen nicht in die falsche Richtung geht, ist ein lustiger Film einfach ein Film, der Spaß macht und ganz nebenbei wichtige Perspektiven zum Thema Abtreibung vermitteln kann. „Ich würde lieber noch eine Million Mal Obvious Child anschauen“, so die Journalistin Raina Lipsitz in ihrem Artikel Can abortion be funny?, „als ein zweites Screening von Vera Drake durchzustehen“, ein Film (UK/FR 2004) über eine Hausfrau, die ihre Nachbar*innen im London der 1950er Jahre mit DIY-Abtreibungen versorgt. Und da muss ich Lipsitz zustimmen: Vera Drake ist wichtig, informativ und gut gemacht, aber so richtig viel Spaß macht er nicht. Und sollten Abtreibungsfilme nicht auch lustig sein dürfen, statt immer nur die anstrengenden, ernsten und traurigen Filme zu sein? Ich glaube ja.

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