Mein Name ist Gerald Van der Hint, ich bin Techno-Musiker, DJ und Veranstalter mit Wurzeln tief in der LGBTIQ+ Community. Ich mache 30+ Veranstaltungen im Jahr und betreibe ein Musik-Label, auf dem bald das 14. Release veröffentlicht wird.
MALMOE: Wie viele von deinen Veranstaltungen musstest du absagen und wann rechnest du mit der nächsten?
Gerald: Bis zum heutigen Datum – 21. Juni – musste ich sieben Veranstaltungen absagen. Leider haben wir noch immer keine Ansage vom Ministerium, wann es weitergeht. Wir sind in Gesprächen. Ich hoffe auf einen Start im August. Die Frage ist ob wir die Auflagen erfüllen können. Da gibts leider einige Pläne, die für uns gar nicht gehen.
Warum dauert die Ansage seitens des Kulturministeriums in Richtung der Klubkultur deiner Ansicht nach so lange? Für andere Bereiche – Theater, Kino – gibt es ja längst Maßnahmen.
Leider interessiert sich das Kulturministerium nicht für uns. Die sehen Clubs nicht als Teil des Kulturbetriebes. Daher ist unser Ansprechpartner das Gesundheitsministerium. Dort sitzen ganz tolle Menschen, die ich sehr schätze. Die Gespräche sind auch immer sehr von Respekt und Verständnis geprägt. Aber sie müssen halt auf einen Krisenstab hören, der wirklich gar keine Ahnung von Club hat. Die denken, die Grelle Forelle funktioniert wie das Kitzloch in Ischgl. Das erschwert die Verhandlungen.
Welche Auflagen sind da gerade im Gespräch und warum gehen die für euch nicht? Und: finden sich unter diesen Kompensationen für die Ausfälle?
Wir haben ein Konzept geschrieben mit einer großen Anzahl von Maßnahmen, die teils tiefe Einschnitte in die Seele eines Clubs bedeuten. Doch das schaffen wir alles. Und wir sind damit garantiert sicherer als die Wirtshäuser und auch als der Einzelhandel es momentan vielerorts zu sein scheint. Leider führen die falschen Vorstellungen über einen Club eben zu so Schwachsinns-Ideen, wie zum Beispiel die Lautstärke zu senken. Das haben wir auch im Konzept. Aber nur bei der Bar. Wo es Sinn macht. Auf der Tanzfläche wird bei uns nicht gesprochen. Sonst wird man dort weggeschickt. Wenn es die Leute nicht selbst machen, geh ich als DJ auch mal vor die Absperrung und schicke solche Vögel auf die Terrasse. Die Menschen im Krisenstab kennen Disco anscheinend halt irgendwie so, dass man beim Schunkeln im Tanzcafe mit seinen Freunden über irgendwelche Belanglosigkeiten redet. Und die meinen man spuckt dann weniger, wenn die Musik leiser ist. Das ist so absurd schwachsinnig. Das ist so mühsam.
Wir wollen mit Mund-Nasen-Schutz zu lauter Techno-Musik tanzen und nicht reden. Fakt.
Wenn man die Lautstärke senkt, werden die Leute nicht zu uns kommen, sondern weiter zur Tankstelle am Schwedenplatz gehen. Dann bringt man uns um. Dasselbe gilt für zu frühe Sperrstunden. Da müssen sie uns auch entgegenkommen. Finanzielle Kompensationen sind noch gar keine angedacht. Da wird auch nichts mehr kommen, ist mein Gefühl.
Mit Mund-Nasen-Schutz zu lauter Techno-Musik tanzen – das gibt bestimmt gute Bilder! Wie ist das mit den Verhandlungen, seid ihr da als Veranstalter_innen organisiert?
Es gibt ja für verschiedene Gewerke in der Kultur entsprechende politische Vertretungen. Jein. Stefan Ratzenberger, Unternehmenssprecher der Wiener Café-Konditorei Aida, sieht sich selbst als Vertreter der Nachtgastronomie und macht Wirbel. Es gibt auch seit sehr kurzer Zeit die Vienna Club Commission, die wirklich ihr Bestes tut, aber natürlich nach so einer kurzen Zeit im Amt auch sehr gefordert ist. DJ Steve Hope gründet gerade eine Art Gewerkschaft für DJs. Es wird also an mehreren Fronten gekämpft. Eine einzelne Organisation gibt es aber leider nicht, weil die Zuordnung auch so schwer ist. Ich will ja nicht zum Beispiel nicht mit Bierzelt-Fest-Veranstalter_innen in einer Organisation sein. Für die Zukunft wäre es sicher wünschenswert, wenn man hier Strukturen für solche Notfälle aufbaut. Und daran wird gearbeitet.
Also werden von eurer Seite Kämpfe geführt. Wie ist das mit den unzähligen Menschen, die nicht am Turntable arbeiten? Barkeeper_innen, Securities, Reinigungskräfte? Wie sind die von den Covid-19 Maßnahmen getroffen? Gibt es da Kurzarbeit oder ähnliches?
Die Clubs sind damit sehr unterschiedlich umgegangen. Ich kenne Clubs da sind alle Vollzeit- und Halbzeitbeschäftigten in Kurzarbeit. Ich kenne aber auch Fälle, wo alle gekündigt wurden, was ich scharf kritisiere. Natürlich ist es für ganz viele Menschen eine finanzielle Katastrophe. Da geht es um Existenzen. Und alle Gruppen, die du ansprichst, sind betroffen. Viele Menschen finanzieren sich z.B. mit Arbeit in der Nacht ihr Studium. Andere ihr ganzes Leben. Ich selbst habe privat einen ungeförderten Kredit aufgenommen um MEAT MARKET am Leben zu halten. Darauf hatte ich auch echt keinen Bock. Aber es war auch ok für mich, solange es sinnvoll war. Jetzt ist es allerhöchste Eisenbahn, dass wir Clubs, zusammen mit Konzerten und kleineren Bereichen, nicht die einzigen sind, denen grundlos in den Arsch getreten wird. Denn ja, wir kämpfen! Und wenn man uns weiter hängen lässt, dann werden die Methoden auch schärfer werden. Was jetzt passiert ist feige und verantwortungslos. Man kann Menschen nicht sagen: Feiert nicht! Das funktioniert einfach nicht. Und das sieht man. Die Menschen fahren nach Bratislava oder feiern im Prater oder am Donaukanal. Oder im Mäci am Schwedenplatz. Da ist die Hölle los. Ohne Masken und jegliche Schutzvorkehrungen. Die Regierung lässt die Nachtkultur sterben und riskiert dabei die Gesundheit ihrer Schutzbefohlenen. Wir müssen uns da wehren. Wenn die Gespräche keine Ergebnisse bringen, geht es auf die Straße.