MALMOE

Ich rauche immer noch

Was ist der Unterschied zwischen Ischgl-Urlauber_innen, Krebsleidenden, Adipositas-Erkrankten, Diabetiker_innen und Raucher_innen? Letztere sind selber schuld! Andererseits: „Iss halt weniger“, „Sauf halt weniger“ oder „Hör einfach auf, du Trottel“ sind in Freuds Heimatland nicht erst seit der Durchdringung aller Lebensbereiche mit dem neoliberalen Gedankengut (um nicht zu sagen: Virus) immer noch die beliebtesten Antworten gerade auf Suchtprobleme.

Ja, ich versuche abzulenken, denn ich rauche selbst seit Jahrzehnten. Und ich habe gemeinsam mit der restlichen weltweit einen Milliarde Raucher_innen auch in der Pandemie nicht aufgehört. Ich komme zwar aus „der Unterschicht“, wo laut Studien mehr geraucht wird, bin aber mittlerweile „hoch gebildet“, müsste laut denselben Studien also viel weniger wahrscheinlich immer noch rauchen. Wenn das so einfach wäre …

Neben drei, vier anderen Ländern probiert Südafrika seit dem Lockdown am 27. März die Tabak-Prohibition aus, und mit dem Narrativ von ärmeren Menschen, die sich dauernd zusammensetzen und eine Kippe teilen, wurde das Verbot Anfang Mai verlängert. Die Klagsdrohung eines britischen Tabakmultis folgte unmittelbar.

Im subsaharischen Afrika fährt die globale Tabakindustrie ja seit Jahren speziell unter Kindern Kampagnen, die jeder Beschreibung spotten – da ist die südafrikanische Regierung also definitiv mutig. Wieso sind denn überall sonst auf der Welt Tabakwaren als „essenzielle Güter“ eingestuft und weiterhin verkauft worden, so wie Lebensmittel und Medikamente?

Die Nikotinsüchtigen in Südafrika zahlen am illegalen Markt nun jeden Preis für Zigaretten und dem Staat entgehen monatlich einige Millionen Rand an Steuereinnahmen. Apropos: In Österreich betrugen die Tabaksteuer-Einnahmen 2017 knapp 1,9 Milliarden Euro, das ist nach der Mineralölsteuer die zweithöchste Verbrauchersteuer-Einnahme.

Aber ich lenke schon wieder ab. Wieso, verdammt, rauche ich immer noch? Viele Frauen* hören ja wenigstens zeitweise auf, wenn sie ein Kind kriegen. Müsste eine pandemische, hoch aggressive Lungenerkrankung jetzt also nicht der zweitbeste Grund sein? Müsste sie – aber einfach aufhören, ist für Nikotinsüchtige nicht möglich.

Und so habe ich mich durchgeschlagen. Als bei den anderen im März die Schniefscham aufkam, war es bei mir die Hustscham. Raucher_innen husten ja auch ganz ohne Infektion. Und stinken aus dem Mund – was sie jetzt unter der MNS-Maske erstmals selber merken. Und sie haben am 13. März weniger Klopapier als vielmehr stangenweise Zigaretten gehamstert.