Jede Zoomsession ist ein neues Fotoalbum: eine Versammlung von gleichzeitig Ungleichzeitigen und auf nostalgische Art irgendwie auch immer schon vergangen.
Sie bringt eine besondere Gemeinschaft ins immer gleiche Format: das Treffen mit anderen Aktivist_innen, das Zwiegespräch mit der Chefin, der gemeinsame Sport oder die Geburtstagsfeier, bei der am Ende alle alleine mit ihrer Betrunkenheit zurückbleiben. Der virtuelle Raum funktioniert wie sein zugrundeliegender binärer Code, 0 oder 1, in oder out, hörbar oder stumm, sichtbar oder unsichtbar. Moderieren heißt hier nicht zuletzt, einen von zwei Zuständen anordnen zu können. Alles beginnt und alles endet mit einem Bruch.
Wir begegnen all den, auf den Bildschirm geworfenen, Gemeinschaften – halb beteiligt, halb unbeteiligt – aus einem mehr oder weniger privaten Raum heraus, den die Verschaltung mit anderen Privaträumen zu einer Sammlung zweidimensionaler Symbole macht: Das Fenster, das sie hinter sich geöffnet hat: ein Symbol. Der Aschenbecher und das Bierglas neben ihrem Laptop: zwei vielleicht sorgfältig ausgestellte Symbole. Zoom forciert das Potential der Dinge, als Requisiten zu erscheinen. Deren Einsatz kann ebenso zum Gegenstand von Entscheidungen werden, wie die in einer rekursiven Schleife von Selbstbeobachtung und Selbstkorrektur, eine mit Silberblick an der Kamera vorbeischielend optimierte Selbstdarstellung. Wenn eine Eigenheit digitaler Gesellschaft darin besteht, dass sich die Entscheidungszwänge vervielfältigen, dann haben uns Zoom und Co also wieder ein paar mehr dieser inszenierbaren, registrier- und kapitalisierbaren Entscheidungen beschert.
Bei aller Besonderheit des Digitalen: Sich in technischen Umgebungen zu bewegen und sich bestimmter Symbole zu bedienen, ist keine neue Erfahrung. Jeder Konferenzraum, jede Fabrikhalle und jeder Club ist eine solche technisch-symbolische Umgebung, in der das (körperliche) Verhalten auf eine bestimmte Weise normiert ist und in der Gemeinschaften auf bestimmte Art formatiert sind. Das Leben ist in diesem Sinne immer schon technisch, immer schon symbolisch und immer schon künstlich. Neu ist die geteilte Erfahrung, sich über längere Zeit in einer digitalen Monokultur zu bewegen und sich ebenso plötzlich wie unbeholfen mit bisher analogen Gemeinschaften digital eingerichtet zu haben. Gerade die Differenzerfahrung, sich nun wieder in der unaufgeräumten, analogen Welt zu bewegen und überreizt davon zu sein, Körpern statt zweidimensionalen Gesichtern zu begegnen, und gerade die Differenzerfahrung derer, denen die Körperlichkeit ihrer nicht digitalisierbaren Arbeit wohl selten so bewusst geworden ist wie dieser Tage, kann jetzt beschrieben und muss in Form von Kritik bewahrt werden.