MALMOE

Nur Männer? Da muss ja was falsch sein!

Die Fußball-Schiedsrichterin Vera Dumser im Gespräch

Vera Dumser ist hauptberufliche Detektivin, nebenher hat sie bis dato 548 Spiele für den Österreichischen Fußballverband gepfiffen. Beim Fußballplatz des WAF Vorwärts Brigittenau hat fairplay sie vors Mikrophon gebeten.

MALMOE: Wie bist du zum Fußball gekommen und Schiedsrichterin geworden?

Vera Dumser: Ich habe selbst nie Fußball gespielt, ich durfte nicht. Ich bin in einer sehr patriarchalen Familie aufgewachsen, wo Fußball Männersache war. Und dann hat mich der Krieg in Jugoslawien aus dem Land vertrieben. In Österreich habe ich dann in leicht fortgeschrittenem Alter mit dem Schiedsrichtern angefangen. Ich bin Gerechtigkeitsfanatikerin und wollte beweisen, dass Frauen genauso gut sind wie Männer.

Welche Barrieren siehst du für Frauen im Sport?

Es war wahnsinnig schwer für mich – und das ist es auch heute noch. Frauen werden im Fußball weniger unterstützt als Männer. Egal, ob du Schiedsrichterin oder Spielerin bist, du musst noch besser, noch präsenter, noch durchsetzungskräftiger sein, du musst dich immer beweisen und zeigen, was du kannst.

Bei den Frauen fehlt oft das Selbstbewusstsein, was klar ist, wenn niemand hinter dir steht und du als Frau ganz allein am Platz bist. Wenn man sich umsieht, dann sind im Fußball alles Männer – Präsidenten, Trainer, Führungskräfte, Schiedsrichter. Männer, lauter Männer. Frauen als Vorbilder sind nicht präsent. Da muss ja was falsch sein.

Ich wurde nach Interviews übel beschimpft und mir wurde gesagt, ich habe keine Ahnung vom Fußball. Aus dem einfachen Grund, weil ich Themen wie Sexismus oder Rassismus angesprochen habe.

Was musst du dir als Frau mit Migrationsgeschichte, die mit Akzent spricht, am Platz anhören?

Ich werde oft gefragt, wieso ich mir das antue, warum ich mich freiwillig auf den Platz stelle, um mich beschimpfen und beleidigen zu lassen! Es ist klar, dass sich das ein 15-jähriges Mädchen vielleicht ein, zwei Mal antut und dann aufhört.

Sehr oft erlebe ich, dass Österreicher mit mir mit ausländischem Akzent reden, obwohl sie selbst eigentlich akzentfrei sprechen. Dann schimpfen sie „Nix sehen!“, „Geh nach Hause!“ oder „Frau Platz in Küche“, „Hast du Kochlöffel mitgenommen?“. Und Schlimmeres. Wie soll ich als Schiedsrichterin von den Kindern am Platz Respekt erwarten, wenn die Eltern mich so beschimpfen? Die Vereine ignorieren das oder lachen dich aus.

Als Schiedsrichterin, egal ob Mann oder Frau, bist du gewohnt, mit Kritik umzugehen. Du stehst jedes Mal in der Kritik. Emotionen gehören dazu. Aber wenn das so unter der Gürtellinie kommt, ist es etwas anderes. Sexismus, Rassismus, Diskriminierungen haben am Platz nichts verloren.

Was hat dich unterstützt, dir geholfen, nicht aufzugeben?

Wenn ich mich ganz dunkel an mein erstes Spiel erinnere, da habe ich mir gedacht: „Bist du wahnsinnig? Einmal und nie wieder!“ Vom Verband habe ich keine Unterstützung gehabt: Ich habe meine Pfeife bekommen und wurde auf den Platz geschickt.

Da habe ich mir gedacht, dass, wenn alle Vereine so wie dieser sind, dann viel Spaß! Dann wird nie mehr eine Frau am Platz stehen. Wo war der Respekt am Platz? Nirgendwo. Wo war der Sexismus? Überall. Hat irgendjemand was unternommen? Nein. Das hat mir Kraft gegeben und ich bin durchmarschiert.

Was würdest du Mädchen gerne mitgeben, wie sie ermutigen?

Mein Appell an vor allem junge Frauen ist, sich ein eigenes Bild zu machen von dem, was ihnen gefallen könnte. Was Mama oder Papa oder der Nachbar sagen, interessiert mich nicht, ich mache mir eine eigene Meinung und das, was mir Spaß macht. Diese Einstellung brauchen wir am Fußballplatz. Das braucht Durchsetzungsvermögen und Mut. Klar, das ist immer leichter gesagt als getan. Was es strukturell braucht, wären Vertrauenspersonen im Verband, MentorInnen, die ich jederzeit um Rat fragen kann. Mit denen ich sprechen und mich austauschen kann, wenn ich Diskriminierung erlebt habe. Nur ja nicht runterschlucken und damit in die Kabine gehen! Das belastet dich, du sammelst solche Erfahrungen und das bedrückt dich als Mensch. Und irgendwann kommt es dann hoch.