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Pet Shop Boys: Hotspot

Die Brit_innen sind nun also „raus“ und ebenso raus ist mit Hotspot das neueste (vierzehnte!) Album der Pet Shop Boys. Wie immer in ihrer Karriere, machen Neil und Chris sich Gedanken über die „Faszination der Nacht, mit der Komplexität des menschlichen Zusammenlebens“, so ihr langjähriger Fan und künstlerischer Kollaborateur Wolfgang Tillmanns. Dazu gehört freilich untrennbar die Tagespolitik: „I’m so tired of my homeland“, heißt’s in Dreamland, einem Lied über ein mögliches Utopia ohne Grenzen und den gleichnamigen Vergnügungspark in Margate (am Ärmelkanal, also quasi schon fast in Kontinentaleuropa).

Schritt zurück: Die zähen Brexit-Strategien beschäftigten die Boys auch schon auf ihrer letztjährigen EP Agenda – dort klang das (in Give stupidity a chance) noch so: „Why face the facts / When you can just feel the feelings?“ Überhaupt hatten die PSBs mit dieser Veröffentlichung ein zweites „Coming-out“, nämlich als echte Sozialisten, die sie natürlich eh schon immer waren! Beweis? Diese wunderbaren Zeilen: „They’re avoiding paying taxes / While the welfare state collapses“, aus dem Song What are we gonna do about the rich? Für verkürzte Antworten auf dieses Problem (as in Motörheads Eat the rich von 1987) sind die Boys natürlich zu clever, aber die Frage ist verdammt gut und … seid ehrlich, nicht mal im, sagen wir, Crust-Punk von 2019 wird’s dermaßen politisch konkret, oder?

Und nachdem die PSBs jetzt anscheinend in Berlin leben (oder zumindest nicht selten da sind, die Brexit-Flüchtlinge …), haben sie das Hotspot gleich in den dortigen, von einem gewissen Bowie bekannten, Hansi Studios aufgenommen, zum dritten Mal in Folge mit dem Produzenten Stuart Price. Auch dabei: Bernhard Butler (könnte mensch kennen vom Lied Animal Nitrate, irgendwann in den Neunzigern) und die Band Years & Years und … alle Aufgezählten stören gar nicht sonderlich, denn, so Neil: „Egal mit wem wir zusammenarbeiten“ – und das waren viele, denn wir sprechen von über 34 Jahren mindestens 90 Prozent fantastischer Arbeit (quasi die Lindenstraßler des Pop!) – „die Leute sagen immer, dass wir wie die Pet Shop Boys klingen. Diese Beschwerde hören wir seit Anfang unserer Karriere“.

Wir reihen uns hier nicht ein, sondern finden ihre Zauberformel immer noch toll: Melancholie auf einem (immer Mod-)Disco-Beat, mit Texten, die stets sensibel auf der feinen Linie zwischen allem tanzen; zwischen Glück, Freundschaft, Begehren und Liebe unter kapitalistischen Umständen, ergo: das wird Pop als Vermittlungskultur ernst genommen! Unser Lieblingsstück ist die Ballade Only the dark und, sind wir verrückt geworden, klingt der Refrain von Dreamland mehr als nur ein wenig nach jenem von Falcos Jeanny? You decide! War’s das? Fast. Verpass die Boyz nicht, wenn sie mit ihrer Tour „Dreamworld – The Greatest Hits Live“ (als ob die beiden nicht noch bei jeder Tour ihre größten Hits gespielt hätten) am 12. Mai 2020 im Wiener Schasometer Halt machen – wir seh’n uns dort … im Moshpit!

Pet Shop Boys: Hotspot (x2, 0018 VL1, 2020)

Zum Probehören und/oder Kaufen gibt es die Platte bei: SISSYSOUND – at the outer edges of Pop! (Margaretenstraße 47, 1040 Wien, Dienstag bis Freitag von 12 bis 18 Uhr, Samstag von 10 bis 18 Uhr)