Aus dem Umfeld der Wiener Pankahyttn stammt ein neues Buch mit dem Titel Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft
Während die türkis-blaue Regierung im Sommer elegant zur Punktlandung ansetzte und schließlich am Boden zerschellte, versuchten die Punks der Wiener Pankahyttn bereits ihre Überlegungen zu konkretisieren, wie eine ideale Gesellschaft aussehen könnte. Als Türkise und Grüne über ihre Koalition verhandelten, diskutierten sie mit drei weiteren Polit-Gruppen über einen Ausweg aus dem ganzen Schlamassel und ein mögliches Buchprojekt.
Am 25. Jänner wurde das Ergebnis in der Pankahyttn vor gut 100 Menschen präsentiert: ein Modell für eine klassenlose postkapitalistische Gesellschaft, zusammengefasst auf knapp 70 Seiten, mit Beiträgen von der Plattform Radikale Linke, dem Wiener ArbeiterInnensyndikat (WAS) und der im Aufbau befindlichen Revolutionär Kommunistischen Partei (IARKP). Gedruckt wurde das Buch im selbstverwalteten Druckraum in Ottakring (auf pankahyttn.at oder anarchismusforschung.org kann der Text heruntergeladen werden).
Eines ist klar, und das sehen nicht nur Punks so, sondern wohl die meisten Menschen, denen die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, das Ökosystem, das Wohl von Mensch und Tier und ein politisches und atmosphärische Klima nicht vollkommen egal sind: Diese Gegenwart hat keine Zukunft. Auch wenn überall Ideen und Konzepte für gesellschaftliche Alternativen aufblitzen, macht sich der Hang zum Dystopismus breit. Vielleicht wäre es aber an der Zeit, sich wie die Leute von der Pankahyttn zu überlegen, wie wir eigentlich (zusammen-)leben wollen. Diesen Schritt kann uns keine Expertin und kein Politiker abnehmen, sondern diese Fragen müssen sich Menschen selbst stellen, und zwar nicht im stillen Kämmerlein, sondern am besten gemeinsam.
Das Buch ist das Ergebnis eines einjährigen Reflexion- und Diskussionsprozesses. Die Autor_innen betrachten ihre Vorstellung als ein Modell und nicht als Utopie. Es liegt im Bereich des Realen, die Umsetzung ist nicht nur denkbar, sondern auch machbar. Die Frage danach, wie es gehen könnte, beantworten sie nicht. Es findet sich keine Revolutionstheorie und keine Beschreibung eines revolutionären Subjekts. Das kann als Mangel gesehen werden, aber auch als angenehm. Denn die andere, vielleicht utopische Überlegung wäre: Was würde passieren, wenn sich in dieser Stadt viele Menschen und Gruppen zusammenfinden, um sich darüber auszutauschen, wie wir zur postkapitalistischen Gesellschaft kommen könnten? Was wollen wir von einer Regierung? Brauchen wir überhaupt eine? Gibt es andere Formen der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung?
In dem Buch wird ein Rätemodell vorgeschlagen, bei dem alle gesellschaftlichen Entscheidungen von der lokalen Bevölkerung getroffen werden. Aber auch die Betriebe sowie soziale und gesundheitliche Einrichtungen basieren auf einer Rätestruktur. Aufgebaut von unten nach oben und kreuz und quer zwischen Städten, Dörfern und Gemeinden. Ein Kurz oder Kogler könnten sich dann natürlich weiterhin für das Wohl der Menschen engagieren und wichtige politische Agenden umsetzen. Aber nur, wenn sie ein gebundenes Mandat dafür haben. Dieses wäre nicht mehr frei und abgekoppelt von den Wähler_innen, sondern an den Willen der Bevölkerung und deren Entscheidungen gebunden. Es wäre ein anderes politisches Leben. Wahrscheinlich aufwendiger und aufreibender. Dafür gäbe es keine nervtötenden Wahlkämpfe und keine verdummende Wahlwerbung mehr. Und dies wäre nicht der einzige Vorteil.
Eine weitere Überlegung der Punks betrifft die Arbeit. Bereits vor über hundert Jahren gab es bei dieser Frage eine Weggabelung, wobei eine Fraktion in Richtung Recht auf Arbeit marschierte, im Speziellen die Sozialdemokratie und die kommunistischen Parteien, andere am Rastplatz ihr Recht auf Faulheit formulierten. Wohin die Pankahyttn tendiert, soll hier nicht verraten werden, um nicht den zentralen Teil des Büchleins zu spoilern. Nur so viel: Es gibt Tätigkeiten, die lustvoll und bereichernd sind, die wir gerne tun, auch weil wir sie für notwendig halten und dies können auch Dinge sein, die wir in der Lohnarbeit verrichten. Aber was und wieviel an Lebenszeit wollen wir arbeiten?
Diese Frage wurden in dem Buch vielfach diskutiert. Sowohl aus einer anarchosyndikalistischen (WAS) als auch aus kommunistischer (IARKP) Perspektive. Die Plattform Radikale Linke hingegen untersucht im Beitrag „Roboterkommunismus“ das emanzipatorische Potential der Technologisierung.
Dass es in der radikalen Linken einen Bedarf an dieser Art von Auseinandersetzung gibt, wird an den positiven Rückmeldungen ersichtlich, die alle beteiligten Gruppen in ihren Beiträgen äußern. Auch bei der Präsentation war unüberseh- und hörbar, wie wichtig öffentliche Diskussion und gruppenübergreifende Auseinandersetzungen sind. Ein kleiner Schritt wurde mit diesem Buch bereits getan. Den Punks sei Dank! Doch es werden wohl noch einige mehr benötigt, bis die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft Wirklichkeit wird.