Das Patriarchat hat die Frauen der britischen Monarchie fest im misogynen Griff. Das ist auch nicht verwunderlich, beruht das ganze Prinzip doch auf der angenommenen Ungleichheit von Menschen.
Bei den Royals, seit 1917 dem Hause Windsor, sichern Frauen den Fortbestand der Monarchie und geben für die Nation eine gute und gut gekleidete Mutterfigur ab. Die Objektivierung von Frauen vollzieht sich an den weiblichen Windsors exemplarisch und gut dokumentiert.
Das Business der „firm“, wie das Königshaus in Großbritannien genannt wird, besteht im Großen und Ganzen aus Geburten, Hochzeiten und Begräbnissen. Männer gehen zum Militär, Frauen überreichen ihnen Preise beim Polospiel. Als Werbeträgerinnen einer Institution, die um das Jahr 1000 entstand, sollen Frauen die Monarchie modern und zeitgemäß verkaufen. Über ihr Aussehen, ihre Kleidung, Frisuren und ihr Makeup wird ausgiebig berichtet. Sie werden als gute Mütter wohlerzogener, gut gekleideter Kinder gefeiert oder zu Rabenmüttern erklärt.
Schlagzeilen über die animalische „Stutenbissigkeit“ und „Zickenkriege“ der Herzoginnen verkaufen sich zuverlässig. Als Frauen sollen sie dem Auge schmeicheln, mütterlich sein und miteinander konkurrieren. Damit funktionieren sie für die Monarchie und die Boulevardmedien als sexistisches rolemodel und misogynes Stereotyp zugleich.
Die Leiden in der Epoche Di
Lady Di war nicht immer die Königin der Herzen, zu der sie über ihren Tod hinaus avancierte. Obwohl in der adeligen Logik durch ihre Ahnenreihe weit über Prinz Charles stehend, galt sie der Welt nur als schüchterne Kindergärtnerin. Ihre Familie war begeistert über die Aussicht, ins Herrschaftshaus einzuheiraten. Die Eltern hatten nach Dianas Geburt 1961 Fruchtbarkeitsuntersuchungen durchführen lassen, die klären sollten, wieso Frances Spencer „nur“ Mädchen gebar. Ende der 1970er wurde Diana Spencer der Öffentlichkeit als Freundin des Prince of Wales präsentiert. Sie war protestantisch erzogen worden und Jungfrau, die Hauptanforderungen erfüllte sie somit. Weil sie zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit erst 20 Jahre alt war, galt sie zudem als „formbar“. Das Boulevardblatt The Sun war 1980 die erste Zeitung, die den Namen Lady Di verwendete. Während sie auf den Titelblättern, inklusive ikonischer Fotografie, als zukünftige Königin aufgebaut wurde, suchten die Boulevard-Journalist*innen nach Skandalen aus ihrer Vergangenheit, wurden aber nicht fündig. Der Tag der Trauung wurde in Großbritannien zu einem nationalen Feiertag erklärt. In einem Interview aus dem Jahr 1992 sagte Diana, es sei der schrecklichste Tag ihres Lebens gewesen. Durch die Eheschließung führte sie den Titel ihres Mannes als sogenannten Höflichkeitstitel: Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Charles Philip Arthur George.
Im Jahr 1986 heiratete Dianas Schwager Andrew, der in den 1980ern den Beinamen „randy Andy“ (übersetzt etwa geiler Andy) trug und 2008 in einem Prozess gegen Jeffrey Epstein als Vergewaltiger genannt wurde. Sarah Ferguson erhielt in den Boulevardmedien bald den Namen Fergie und galt im Boulevard anfangs als bodenständiges, sympathisches neues Familienmitglied. Als Frau aber wurde sie medial bald zum Abschuss freigegeben. Ihr Aussehen wurde permanent mit dem von Diana verglichen, die Regenbogenpresse ergoss sich jahrelang in Verrissen ihrer Outfits und Frisuren. Während Diana als dünn und schön gefeiert wurde, galt Fergie als plump und geschmacklos. Andrew Morton veröffentlichte Anfang der 1990er die autorisierte Biografie Diana – Her True Story, in der sie über ihre Anorexie in diesen Jahren sprach. Sophie Rhys-Jones, die Frau des dritten Bruders, Edward, wurde als Diana Double gehandelt. Eine „Adelsexpertin“ kommentierte, dass ihr Torso aber wesentlich kürzer sei als der von Diana und sie deshalb nie so gut gekleidet aussehen würde wie diese. Ein anderer „Beobachter des Königshauses“ sagte in einem Interview, dass die Frauen der Windsors auch gar nicht schön sein müssten, so lange sie von guter Zucht wären, so wie Rennpferde.
Unbestritten ist ihre Verpflichtung zur Nachkommenschaft. Als Fergie sechs Wochen nach der Geburt ihrer ersten Tochter ihren Ehemann am Militärstützpunkt auf den Falklandinseln besuchte und das Baby zu Hause blieb, fiel die Boulevardpresse über sie her. Dass der Kindsvater zuvor einen rund 13 000 km entfernten Arbeitsplatz gewählt hatte, wurde nicht hinterfragt. Nachdem sie sich zur Hubschrauberpilotin ausbilden ließ, wurde darüber widersprüchlich, aber stringent sexistisch, als Anmaßung oder als liebevolle Hingabe an ihren Ehemann berichtet. In den 1980ern und 1990ern waren die Boulevardmedien voll mit Artikeln über die angeblichen „catfights“ im Palast.
Und die Geschichte wiederholt sich manchmal eben doch
Die Generation ihrer Kinder wird durch vergleichbare mediale Dörfer gejagt. Catherine Middleton wurde vor ihrer Hochzeit 2011 mit William, älterer Sohn von Diana und Charles, jahrelang als „Waity Katie“ verspottet. Heute gilt sie in den Boulevardmedien als Vorzeigemutter von drei Kindern und Influencerin im Kindermodenbusiness. Als im November 2016 die Beziehung zwischen Harry und Meghan Markle bekannt gegeben wurde, bahnten sich neue Geschichten über einen weiblichen Antagonismus bei den Windsors an. Nun galten Kate Middleton und Meghan Markle als die neuen angeblichen Konkurrentinnen. Was sie einte, war das Leben als Testimonial einer sie verachtenden Institution. Kleider, die sie tragen, sind innerhalb von Stunden ausverkauft. Die Webpages der Marken werden um bis zu 2000mal häufiger aufgerufen. Über die Verbindung von Kitsch und textilem Konsum schreibt die Gala: „Ach, ist das nicht schön … Wir schwelgen ein klein wenig in der Romantik … und finden prompt unser absolutes Lieblings-Outfit von Meghan Markle! Ist das Kleid nicht der absolute Wahnsinn?“.
Meghan Markle wurde im üblichen medialen Spiel vom britischen Boulevard erst als Hoffnungsträgerin der Monarchie aufgebaut, um sie dann, als schwarze Frau, US-Amerikanerin, Geschiedene und Schauspielerin attackieren zu können. In ihrem Fall verschränkt sich die tradierte Misogynie mit Rassismus und Sozialchauvinismus. Wenn die physischen Qualitäten von Meghan Markle gelobt werden, wird oft auf ihre „Exotik“ verwiesen. Nachdem sie im Mai 2019 ein Baby bekommen hatte, twitterte der BBC-Moderator Danny Baker ein Foto von einem Paar, das einen Schimpansen an den Händen hielt, und dem Text „Royal baby leaves Hospital.“ Obwohl ihre Eltern und der Stadtteil, in dem sie aufgewachsen ist, solide Mittelklasse sind, wurden Verbindungen zwischen Markle und Gangkriminalität gezogen. Als sie schwanger wurde, thematisierten die Headliner dieselben Themen wie bei vorherigen Schwangerschaften ihrer Schwägerin Catherine. Während über diese berichtet wurde, dass sie gegen ihre Morgenübelkeit gerne Avocados aß, wurde dieselbe Nachricht über Meghan mit einem Verweis auf die Klimaschädlichkeit des Avocado-Anbaus ergänzt. Als sie zwei Monate nach der Geburt genretypisch bei einem Polospiel erschien, wurde sie sowohl für ihr unförmiges Kleid als auch für die mangelhafte Bekleidung des Babys kritisiert. Die Boulevardmedien griffen Meghan Markle als heuchlerisch an, weil sie die Klimakatastrophe thematisiert, aber im Privatjet fliegt. Dasselbe Transportmittel, das Lady Di im August 1997 auf ihrem Weg nach Paris benutzte. Meghan Markle wird als nervender „Gutmensch“ angefeindet, der von außen kommend, aus einer privilegierten Position den Brit*innen die Welt erklärt. Historisch wird sie seit dem Austritt aus der „firm“ mit der US-Amerikanerin Wallis Simpson verglichen, deren Liebesbeziehung mit König Edward 1936 zu dessen Abdankung führte. Obwohl die Boulevardmedien Markle als Linksliberale angreifen, wird sie mit einer bekennenden Antisemitin und Unterstützerin der NSDAP gleichgesetzt. Auch sei sie eine geschiedene Männerdiebin, die den willenlosen Prinzen ins Ausland entführt. Als Frau und US-Amerikanerin wäre sie zu tieferen Gefühlen unfähig, verfolge nur egoistische Interessen und würde Steuergelder verschleudern. Das drückt sich auch im Wortspiel „Megxit“ aus, das eine vermeintlich Schuldige kennt und benennt. Als der royale Rücktritt der beiden auf Instagram bekannt gegeben wurde, löste das ein mediales Erdbeben aus. Im Unterschied dazu wurde über die seit 2008 bekannten Vergewaltigungsvorwürfe gegen Andrew bis 2019 kaum berichtet. Momentan beschäftigt die Boulevardmedien die Frage, ob die Hochzeit seiner Tochter durch die Ermittlungen gegen ihn beeinträchtigt werden wird. Der Comedian Trevor Noah brachte es in seiner Daily Show auf den Punkt: „Prince Andrew had sleepovers in Jeffrey Epsteins house and the British Press is like: Meghan Markle ordered guacamole!”