MALMOE

Erfurt – New York – Berlin

Erfurt 

Im Jahr 2014 gab es in Deutschland die erste rot-rot-grüne Regierung auf Landesebene – R2G in Thüringen – unter dem Gewerkschaftslinken Bodo Ramelow. Und damit (auch ein Novum) einen Ministerpräsidenten der Linkspartei, der über eine Mehrheit gestützt von genau einer Stimme im Landtag verfügte. Selbstredend war Ramelows Regierungsprogramm keineswegs radikal, sondern sozialdemokratisch. Bereits damals skandierte ein Bündnis aus CDU, FDP und diesen anderen Nazis (AfD): „Ramelow, hau ab!“ Fünf Jahre später folgt die nächste Wahl und obwohl Die Linke mehr Stimmen bekam, war es diesmal noch knapper. R2G wäre sich aufgrund der Verluste von SPD und Grünen nur noch als Minderheitsregierung ausgegangen. Die FDP schaffte mit 0,0005 Prozent den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Was folgte, stand unter Schlagwörtern wie „Politbeben“, „Damm-“ und „Tabubruch“ auf den Titelseiten aller deutschsprachigen Medien. Mit 45 zu 44 Stimmen, bei einer Enthaltung, gewann der FDPler Thomas Kemmerich die Wahl zum Ministerpräsidenten – mit den Stimmen von CDU und AfD. Kemmerich, der sich zunächst noch als „Kandidat der Mitte“ zu verkaufen versuchte, trat auf öffentlichen Druck nach wenigen Tagen zurück. Konservative und Liberale befinden sich jetzt in Deutschland in einer wohlverdienten „Glaubwürdigkeitskrise“.

New York 

Im November 2020 wählen die US-Bürger*innen eine neue Regierung. Dieser Urnengang wird ungeheuer spannend. Nicht etwa wegen Donald Trump, sondern weil es – mit etwas Glück – erstmals eine Entscheidung zwischen zwei „Systemen“ geben wird. Zwischen der Fortsetzung der reinen Oligarchie und der Einführung einer Mischung aus oligarchischen Elementen und einer Art Grassroots-Demokratie. Das Wahlrecht in den USA ist in einer lächerlich offensichtlichen Weise manipuliert. Die Wahl zwischen zwei sexistischen New Yorker Milliardären (Michael Bloomberg oder Donald Trump) wäre natürlich gar keine. Beide versuchen sich mit ungeheuren Geldmitteln (der eine aus eigener Tasche, der andere durch Sponsor_innen) die Wahl zu kaufen. Mit Bernie Sanders gibt es aber auch einen Kandidaten, der aus diesem System ausgestiegen ist und nur kleine Wahlkampfspenden akzeptiert. Sollte es ihm und seinen in die Millionen gehenden Unterstützer*innen gelingen, diese Wahl zu gewinnen, dann wäre dies tatsächlich eine Wende zum Guten. Die Milliardär_innen hätten sich dann in den beiden Parteien wechselseitig Schachmatt gesetzt. Aber lieber keine voreilige Euphorie. Nach den Chancen von Sanders gefragt, antwortete Noam Chomsky lakonisch: „Fragen Sie mich gerade, ob ich es für wahrscheinlich halte, dass ein atheistischer Jude Präsident der USA werden kann?“

Berlin 

Regieren findet heute immer weniger in Parlamenten statt, sondern verlagert sich in die sozialen Medien. Hier ist zwar medial alles ganz neu und ungewöhnlich, aber die sich zeigenden Blödheiten sind die altbekannten. Zu den entsetzlichen Morden in Hanau schreibt der ehemalige Vizekanzler von Deutschland, Sigmar Gabriel (SPD), auf Twitter: „Der Feind der #Demokratie steht rechts: Es lässt sich nicht abstreiten, dass linke Chaoten auf Polizisten eindreschen, Autos und Mülltonnen in Brand setzen und immer wieder hohe Sachschäden verursachen. Alles schlimm genug und nicht zu verharmlosen. #hanau.“ Ende von Tweet eins – das erstaunte Publikum darf zunächst durchatmen. Der Tweet danach benennt dann endlich den wahren Feind der Demokratie als den von rechts. Frage: Aber wer liest heute schon noch bis Tweet Numero zwei? Den jungen und junggebliebenen Genoss*innen vom Social-Media-Team kann da nur zur gelungenen Message Control gratuliert werden. In dunklen Zeiten wie den unseren ist es wohl für die Mitglieder der SPD dringend nötig, ihre historisch schon hinlänglich gut belegte Bereitwilligkeit zur Kollaboration mit dem Faschismus zu signalisieren.