Endlich wieder eine Spiele-Rezension bei MALMOE. Es darf gerne applaudiert werden
Natürlich gibt es viele gute Gründe gerade bei älteren Exilant_innen aus Deutschland vorsichtig zu sein – zum Glück nicht in diesem Fall. Zum Leben erwacht der dröge Priester zuhause im Wohnzimmer, wenn es heißt: Betrayal at House on the Hill. Das 2004 erschienene Gesellschaftsspiel stammt aus dem Hause Avalon Hill, eine Erweiterung mit dem Namen Widows Walk erschien im Jahr 2016. Avalon Hill ist ein alter Spielehersteller aus den USA & den Weg alles Irdischen gegangen: 1998 von Hasbro geschluckt & dem ebenfalls von Hasbro geschluckten Wizards of the Coast untergeordnet & ach, ist es nicht toll, wie der Markt funktioniert? Wir monopolisieren uns bis zum Kommunismus (oder so). Herausgegeben haben sie das Spiel eh erst, als sie schon sechs Jahre zu Hasbro gehört haben.
Bevor uns die Logik des Kapitalismus wieder alle unglücklich macht, lieber ein paar Worte zum Spiel. Die Anleihen des Spiels bei B-Horror-Movies sind aus dem Intro oder dem betont bedeutungsschwangeren Namen herauszulesen: das verlassene Haus am Stadtrand, die Gruppe zusammengewürfelter Mutiger, die sich aufmacht es zu erkunden. Vom gemeinsamen Start am Hauseingang machen sich die Spieler:innen auf den Weg, zufällig aus einem Stapel gezogene Raumplatten aufzudecken & so zu erkunden. Mögen die Elemente auch die gleichen bleiben, der Spielplan wird in jedem Spiel anders aussehen: Mal liegt das Theater im Erdgeschoss, an die Bibliothek & das Labor angrenzend, mal liegt es im ersten Stock direkt neben den Bedienstetenkammern & diesem seltsamen Flur mit der Blutlache auf dem Boden. Die Spielgruppe kann kooperieren, muss aber nicht. Sie können in den Räumen gefundene Items weitergeben oder die, die von Eventkarten besonders schlimm angegriffen wurden, wieder gemeinsam aufpäppeln. Doch etwas stimmt nicht im Haus & je länger die Erkunder:innen durchs Haus streifen, desto mehr Omen des Spuks finden sich.
United we stand, divided we fall
Mit der Enthüllung des Spuks geht das Spiel in seine zweite Phase über, in der alle auf ihre Kosten kommen, denen die vorangegangene Kooperation schon ein bisschen auf die Nerven gegangen ist. Die Omen & wo sie gefunden wurden bestimmen die Art des Spuks, will sagen: verweisen dich auf eines von Dutzenden Szenarien, die in Heften erläutert werden. Die Gruppe wird gespalten in eine szenarioabhängige Anzahl an Verräter:innen (meist eine:n) & die Verbleibenden, die begrifflich aufgewertet werden: Nicht mehr Erkundende, Held:innen sind sie jetzt, meist auf einer edlen Quest, den Teufel, die Echsenmenschen, die wissenschaftlich interessierten Aliens oder wen auch immer aufzuhalten. Beide Parteien erhalten bestimmte Regeln & Siegesbedingungen, ohne, dass ihnen die der anderen Seite ganz klar wären. Diese gilt es im jetzt stattfindenden Endspiel herauszufinden, die Anderen zu überlisten & als das Böse respektive Gute über das jeweilig andere zu triumphieren.
Das klingt alles banal, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen: Betrayal at House on the Hill bricht mit der Logik gängiger Gesellschaftsspiele. Nicht mehr das kalte Gegeneinander, das sein perfektes Sinnbild in Monopoly findet (ein Spiel, das übrigens im Buckingham Palace nicht mehr gespielt werden darf, wobei der Außenwelt nie kommuniziert wurde, wer so schlecht verlieren konnte, dass das Spiel gleich per royalem Dekret verboten werden musste), nicht mehr der offene Kampf aller gegen alle, der am Tisch spielerisch eingeübt wird. Aber auch kein rein kooperatives Spiel, wie es mit Pandemie oder Andor in den letzten Jahren beliebt geworden ist. Ein neuer Zeitgeist, der die offene Konkurrenz – das alte Öl in der kapitalistischen Maschine – durch die Notwendigkeit einer Minimalsolidarität im Wettlauf gegen den Sachzwang als neues Schmiermittel ersetzt wird? Zweifelsohne eine Frage für einen anderen Artikel. Und ein anderes Spiel, denn Betrayal at House on the Hill nimmt sich das selbstgewählte Beste beider Logiken & geht einen eigenen Weg – gut. Apropos eigener Weg: Bist du bereit, dir einen eigenen Weg durch das Haus am Hügel zu suchen, selbst wenn es dich den Verstand oder das Leben kostet? Ein Gruselspaß, der ausnahmsweise nicht mit der ganzen Familie gespielt werden sollte.