Teaser zum Poesiealbum Schwarz-Blau Türkis-Grün
Mit der neuen Regierung startet MALMOE ein neues Poesiealbum mit programmatischem Titel, das sich an alter Stelle in Regieren lesen lässt und will den neuen Stand der Dinge derart dringend kommentieren, dass es gleich zwei Mal Platz findet
Wie verkauft man der wahlberechtigten Bevölkerung die Koalitionsbildung zwischen der rechtspopulistischen Volkspartei und jener Öko-Partei, die bis vor kurzem noch wesentliche Strukturgeberin von Linksaußen-Aktivismus war? Richtig, mit einem Hannah Montana-Refrain:
„You get the best of both worlds / Chill it out, take it slow / Then you rock out the show / You get the best of both worlds / Mix it all together / And you know that it‘s the best of both worlds“
Das Beste aus beiden Welten, das ist ein Wording aus jener Blackbox der radikalen Bedeutungslosigkeit, mit der Sebastian Kurz offenbar jede Wahl gewinnen kann, um hinterher bedeutungsloses zu sagen über eine Politik, die für viele Menschen Armut und für manche Menschen den Tod bedeutet.
„Ja, eh“, würde so manche_r linke_r Wähler_in der Bundesregierung Sebastian Kurz II sagen und im gleichen Atemzug Position beziehen für Pragmatismus und geringere Übel und so weiter. Aber ist das wirklich ein Argument für eine bürgerliche Querfront, in der die Grünen bestenfalls ein Sidekick sind? Es stimmt schon, der Sozialdemokratie hat man es leichter verziehen, aber die hatte, ob der Proportionalität in der Koalition, auch etwas mitzureden und war in vielen Fragen ohnehin nie deklariert „links“. Werner Kogler wirkt hingegen in seiner Rolle als politisch integrer, aber stummer Ewok in Class Wars VII – The Federation of Austrian Industries Strikes Back mit jedem Tag ein bisschen dünner. Es ist sicher nicht leicht, neben Darth Vader im Pressegespräch zu sitzen und zu sagen: „Ja, wir sind in dieser Frage und auch in den meisten anderen nicht derselben Meinung, aber unser Todesstern wird dann in zwanzig Jahren mit Bio-Strom betrieben, seien Sie also ohne Sorge.“
Das Beste aus beiden Welten ist aber eigentlich nicht witzig, sondern zuallererst wahnsinnig zynisch, gerade wegen der Asymmetrie in der Koalition. Dabei wirft die eine Welt, die irgendwo in Niederösterreich im hässlichen Einfamilienhaus lebt und die „Flüchtlinge“ lieber tot im Mittelmeer oder zumindest hinter Stacheldraht haben möchte als im eigenen Dorf, der anderen Welt ob der Ungleichheit bestenfalls ein paar Tokens hin. So sind vom prominent vermarkteten türkis-grünen Familienbonus noch immer 166.000 Kinder ausgeschlossen, nämlich jene der ärmsten Bevölkerungsteile, nachdem es bei Türkis-Blau noch 180.000 waren. Wie funktioniert eigentlich eine solche Verhandlung, wenn eine Partei nur ein Drittel der Mandate hat? „Sebastian, wir wollen mit unserm Drittel ein Drittel der 180.000 Kids in den Familienbonus holen, also 60.000, ja?“ – „Werner, wenn du erlaubst, es wäre bestimmt besser, du nimmst die 14.000. Von den Armen wählt euch eh keiner und du weißt, jedes Mal, wenn du frech wirst, sperren wir ein Frauenhaus zu.“
Die Frauenagenden – herkömmlicherweise ein wichtiges Thema der Grünen – sind nunmehr im Integrationsministerium angesiedelt, da diese anscheinend nur in den „importierten Machokulturen“ von Bedeutung sind, wie Kanzler Kurz im Doppelinterview mit Vizekanzler Kogler argumentierte. Das passt ins Bild, denn die neue ÖVP-Bundesministerin für Frauen und Integration, Susanne Raab, die keinesfalls mit dem „Label“ Feminismus versehen werden möchte, hat nach eigenen Angaben „persönlich noch nie Sexismus am Arbeitsplatz erlebt“. Dass hinsichtlich der gesamtgesellschaftlichen Arbeit Frauen in Österreich immer noch 15,2 Prozent weniger verdienen als Männer, was aufgerechnet 56 Tage ohne Einkommen bedeutet, lässt sich gewiss besser mit dem „falschen Rollenverständnis von manchen Zuwanderern“ erklären, die es „nicht so ernst nehmen mit der Gleichstellung“ (Kurz im angeführten Doppelinterview). Wie es um die Frauenagenden und deren Finanzierung gegenwärtig steht, hat die Allianz Gewaltfrei leben, ein Protestbündnis aus über 40 Gewaltschutz-Organisationen, in den letzten Wochen deutlich artikuliert: Eine flächendeckende Verfügbarmachung von Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Hilfseinrichtungen sei mit einem Jahresbudget von zehn Millionen Euro unmöglich. Die entsprechenden Organisationen seien von Selbstausbeutung und Defiziten gezeichnet – so kann etwa die Frauenhelpline (0800-222-555) ihren 24h-Betrieb ab Juni aus finanziellen Gründen nicht mehr anbieten.
Dass man beim Mitfahren auf dem Beifahrersitz des CO2-neutralen Geilomobils vor allem eines ist, nämlich nicht am Steuer, hat sich deutlich an der unrechtstaatlichen „Sicherungshaft“ gezeigt, oder auch im jüngsten Mini-Disput um die Seenotrettung Sophia. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Die Grünen) hatte sich öffentlich für letztere ausgesprochen, worauf ihm Bundeskanzler Kurz, der sich seit vielen Jahren proaktiv für das Ertrinken im Mittelmeer einsetzt, ausrichten ließ, dass der ÖVP-Außenminister Schallenberg bereits „alles klar gesagt hätte“. Seenotrettung, das bedeutet für einen Sebastian Kurz nämlich vor allem eines: „Tickets nach Mitteleuropa“.
Mit der aktuellen Öffnung der türkischen Grenzen und der massiven Gewalt gegen Migrant_innen, die jene überqueren wollen, wird umso deutlicher, wohin es geht – so hat ÖVP-Innenminister Nehammer im Staatsfernsehen auf die Frage, ob er Wasserwerfer oder Auffanglager an den EU-Außengrenzen aufstellen möchte, geantwortet, dass dort das Gesetz exekutiert werde. Auf Nachfrage, wie das Werner Kogler sähe, meinte er, dass ihm der Vizekanzler ein telefonisches Okay gegeben hätte.
Und so scheint alles auf altem Kursz mit neuem Stil zu liegen: Ein bisschen weniger Nazi und ein bisschen mehr Greenwashing als vorher, aber all-in für ein „ökonomisch und ökologisch intaktes Österreich“, in dem man im Sinne des Regierungsabkommens gleichsam „das Klima und die Grenzen schützen“ kann, also die Grenzen vor den zu erwartenden Millionen an Klimaflüchtlingen aus dem Globalen Süden.