Unternehmen lieben es bekanntlich, das Rad neu zu erfinden, um es teuer zu verkaufen. Doch die Dichte an Crowdfunding-Kampagnen für längst erhältliche und scheinbar in Vergessenheit geratene Produkte lässt seit der Ankunft des umweltbewussten Lifestyles im Mainstream meine schlechten Witze alt aussehen.
Alles begann vor ein paar Jahren damit, dass mir ein guter Freund völlig begeistert von seiner CoffeeSock aus den USA erzählte und ich ihm erklären musste, dass schon meine Uroma solche Dauerfilter für ihren Kaffee verwendet hat. Spätestens seit sich Leute Menstruationsunterwäsche zu völlig übertriebenen Preisen aus den USA bestellen, prophezeite ich: „Bald erfindet ein Start-up das Stofftaschentuch neu!“ Ich wurde nicht enttäuscht. Das LastTissue aus Bio-Baumwolle soll laut Angaben des Herstellers dreihundert Mal waschbar sein und bald auf Kickstarter für volle Kassen sorgen. Dieselbe Firma verkauft auch einzelne Q-tips aus Silikon für knappe zwölf Euro, die jeweils tausend herkömmliche Wattestäbchen ersetzen sollen. Dass es wiederverwendbare Ohrenreiniger schon lange vor Wattestäbchen gab, muss an dieser Stelle hoffentlich nicht erwähnt werden.
Egal ob Rasierer mit einfach(er?) austauschbarer Klinge, Slipeinlagen und Tampons aus Baumwolle, Stoffwindeln, wiederverwendbare Einkaufssackerl oder Trinkflaschen – alles war schon einmal da, wurde seit den 1950er Jahren durch Einwegprodukte ersetzt und erlebte in letzter Zeit ein massives Comeback. Was bis vor einigen Jahren noch als Spinnerei von Birkenstock tragenden 68ern abgetan wurde, ist nun aus dem Alltag und den Instagram Stories der umweltbewussten Millennials nicht mehr wegzudenken.
Auch wenn – oder gerade weil – es der Logik einer kapitalistischen Gesellschaft entspricht, missfällt mir der Gedanke, dass gewiefte Entrepreneurs durch kulturhistorische Museen spazieren, sich von den Produkten aus dem 19. und 20. Jahrhundert inspirieren lassen und sich in freudiger Erwartung die Hände reiben, während sich Leute ihren Earlybird-Rabatt für ein Stofftaschentuch sichern. Das ist sicherlich gut für die Umwelt und noch besser für die Unternehmen, aber schlecht für mein Bild von einer Gesellschaft, die vergessen hat, was ein Dauerfilter ist.