Über die Verwandtschaft von Adel und Rassismus
Gleichheit ist die verrufenste der drei Töchter der französischen Revolution. Mit Faschismus und Stalinismus zugleich, mit Uniform und Gleichschaltung assoziiert, wagt sich die Forderung nach Gleichheit heute vor Scham nicht mehr aus dem Mauseloch. Was aber meinte Gleichheit in ihrer größten Stunde, in Frankreich, in Haiti?
Die der Geburt, die vor dem Gesetz. Kurz: Die Abschaffung des Adels und des Rassismus. Kurz nach dem Sturz der Monarchie und der Einführung des Frauenwahlrechts 1918 beschloss die Regierung Österreichs 1919 unter dem Sozialdemokraten Karl Renner das Adelsaufhebungsgesetz. 1920 hielt das Bundesverfassungsgesetz fest: „Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.“ Dieser Passus gilt bis heute.
In Deutschland jedoch hielt der Adel seine Stellung besser und lediglich jene verloren an Besitz, die allzu offen mit den Nazis paktiert hatten. Darum sind innerhalb des deutschen Adels revisionistische Tendenzen mit Eigentumsfragen eng verknüpft. Jan Böhmermann hatte sich der Sache des „Prinz Georg Friedrich von Preußen“ angenommen, der in einem gefilmten und öffentlichen Interview von der Rückerlangung der Kaiserkrone träumte und dafür trotzdem nicht an vorderste Stelle auf die Beobachtungsliste des Bundesamtes für Verfassungsschutz gesetzt wurde.
Sicher, die Geschichte kennt adelige Antifaschist*innen und adelige Freiheitskämpfer*innen. Die zwangsläufige politische Vielfalt der Gruppe derer, die sich für adelig halten, darf nicht mit der Kernaussage der Adelsbehauptung verwechselt werden. Wo sich Menschen, die in diese Idee hinein geboren und erzogen wurden, als erwachsene Menschen noch positiv damit identifizieren und davon profitieren, vertreten sie diesen ideologischen und zutiefst reaktionären Kern des Adels: Blut, Zucht und Rasse. Die Verwandtschaft von Rassismus und Adel ist unbestritten. Ästhetische Merkmale des Körpers wurden mit Adel identifiziert und legitimierten gottgegebene Rechte. In Russland glaubten Adelige tatsächlich, Leibeigene hätten schwarze Knochen – obwohl sie diese Knochen durch die Brutalität der Unterwerfung häufig genug zu Gesicht bekamen. Wer sich heute noch als Angehöriger einer „master race“ kennzeichnet, wird in der Gesellschaft zu Recht geächtet. Wer aber noch Adelstitel im Namen trägt, mit dem er oder sie dann auch noch gern bezeichnet sein möchte, erhält Aufmerksamkeit, Fotos und Zeitschriftenpapier im Übermaß, obwohl doch sein_ihr ganzes Verhalten nichts anderes behauptet als einer „master race“ anzugehören.
Dass die Linke der Abschaffung des Adels keinen Gedanken mehr widmet, erklärt sich nur aus Ignoranz sowohl für die in Medienprodukten meist grenzenlos verklärten historischen Verbrechen des Adels, als auch für seine aktuelle Macht. Seiner Ressourcen unberaubt können Adelige über Jahrhunderte gewaltsam akkumuliertes Eigentum heute in die Maschinerie des Kapitalismus werfen. So sind die größten Privatwaldbesitzer Adelige: Thurn und Taxis mit 20,000 ha, übertroffen noch von den offiziell geteilten Gütern der Sayn-Wittgenstein Berleburg und der Sayn-Wittgenstein Hohenstein mit zusammen 21,000 ha. Da kann man sich auch das eine oder andere soziale Engagement leisten und darüber klagen, dass Schlösser so teuer zu restaurieren seien: Solcher Besitz geht auf massive kriminelle Energie, auf jahrhundertelang organisierten Raub von Land zurück. Karl Marx widmet dieser „primitiven Akkumulation“ als Ursprung der bürgerlichen Produktionsweise erhebliche Aufmerksamkeit. Wenigstens symbolische Restitutionsforderungen wären hier ein erster Schritt, wo Enteignung verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist. Leider haben Adelige heute einen Sympathiebonus, wie ein Gartenzwerg aus einem Fantasiereich werden sie belächelt und immer noch von zu vielen Menschen gerade in der Kommunalpolitik geehrt und verehrt. Wer aber heute einen Adelstitel trägt, verachtet und verspricht implizit die Errungenschaften umzustürzen, die über die Jahrhunderte für die Gleichheit der Geburt erstritten wurden: in den Sklavenaufständen des römischen Reiches, im deutschen Bauernkrieg, in den bürgerlichen Revolutionen in Frankreich, den USA, in der Revolution der Sklaven in Haiti und in den antirassistischen Befreiungskämpfen. Die Adelsbehauptung ist vom Rassismus nicht zu trennen und der Adelstitel eine Beleidigung eines jeden freien Menschen.