Übers Bilden und Fürchten
Trans*geschlechtlichkeit ist kompliziert, trans* Lesben sind es ganz besonders. Wohin mit ihnen im Frauenstreik? Wird ihre Arbeit, insbesondere unbezahlte Reproduktionsarbeit ebenso vom Hetero-Patriarchat ausgebeutet? Wenn ja, wie? Erfahren sie Gewalt und werden ermordet, weil sie Frauen sind? Weil sie Lesben sind? Weil sie trans* sind? Sind trans* Frauen Subjekte „des“ feministischen Kampfs? Können trans* Lesben in der Logik des Sorgestreiks eigentlich streiken? Und überhaupt: Frauen oder Frauen*?
Ich als trans*weibliche Person* habe auf diese Fragen oft selbst keine Antwort. Verhältnisse sind intersektional, mir scheint, wir trans* Leute sind Mal als gänzlich unproduktiv Verworfene und Mal vom Patriarchat Hyperausgebeutete, manchmal beides zugleich. Können wir also streiken? Und wann? Was „der“ feministische Kampf ist, weiß ich auch leider nicht. Manchmal scheint mir, diesen einen feministischen Kampf gibt es nur für weiße hetero cis Frauen, mittelschichtsangehörig, ableisiert und EU-Bürgerinnen. Ein anderes Mal denke ich, auch wir trans*weibliche Personen profitieren von dieser feministischen Großerzählung. Doch selbst dann: Den Zwang zur Zweigeschlechtlichkeit zu kritisieren, darauf hinzuweisen, dass sie im Patriarchat inhärent ist und schlicht Alle betrifft, bleibt uns Transen überlassen.
Darum freue ich mich, wenn mir cis Genossinnen all diese Fragen stellen. Endlich werde ich als eine von uns trans* Leuten gefragt, wenn es darum geht, was feministische Praktik sein könnte, die nicht das abstrakte, universelle Subjekt „Frau“ ins Zentrum stellt. Doch das Gefühl der Freude steht dabei nicht allein. Sie geht mir Unruhe, mit Angst einher. Denn angesichts der widersprüchlichen Position von trans*weiblichen Personen im patriarchalen Gefüge fehlen mir oft die Worte. Breiter empirische Analysen, umfassenere Theorieentwürfe zu unserer Position als trans* Personen im Patriarchat finden sich kaum. Was ich kenne, musste ich sie mir jenseits von Uni und Politkontexten organisieren. So muss ich mich zumeist auf eigene Erfahrungen und Analysen, auf meine eklektischen Lektüren stützen. Es ist ein wackliges Fundament, auf das ich mich stelle. Entsprechend groß ist der Stress, nicht zu überzeugen – zumal aus einer Position, die in vielen materialistischen Analysen undenkbar, im medizinischen Diskurs pathologisch erscheint.
Letztlich – so kommt erschwerend hinzu – wird über mein Argument auch über die Frage entschieden, ob dieser oder jene feministische Raum auch meiner ist. Denn ohne kohärentes Narrativ über eine „weibliche“ Sozialisation bleibt immer offen: Bin ich trans*, bin ich Frau* genug? So ist feministischer Aktivismus nicht nur Bildungsarbeit, wenn ich als Einzige* spezifische Positionen, Analysen und Erfahrungen einbringe. Er ist zugleich Arbeit an meiner Angst, an meinen Zweifeln an meiner Position selbst. Es ist meine Arbeit, weil für meine Position in vielen feministischen Analysen noch immer gilt: Sie ist zu kompliziert.