Betroffene und Initiativen kämpfen für einen antirassistischen Erinnerungsort an der Keupstraße in Köln
Gegenüber der Keupstraße in Köln-Mülheim, in Sichtweite des Friseursalons, wo vor 15 Jahren die Nagelbombe explodierte, soll auf Beschluss des Rates der Stadt Köln ein Mahnmal für die Opfer der rassistischen Bombenanschläge in der Probsteigasse (2001) und in der Keupstraße (2004) erinnern. Der Entwurf des Berliner Künstlers Ulf Alminde, der in Zusammenarbeit mit Betroffenen entwickelt wurde, überzeugte die Jury aus Bewohner*innen der Keupstraße, Kunstexpert*innen und Politiker*innen. Mit der Beteiligung der Betroffenen erkannte der Rat an, dass sie Subjekte der Geschichte sind, und vereint unterschiedliche Erfahrungen in der Ästhetik des Mahnmals. Ein hoffnungsvolles Zeichen – schließlich ist die Frage „Wer spricht?“ grundlegend, wenn es um Anerkennung und Sichtbarkeit in der Migrationsgesellschaft geht. Der Stadtrat hatte diesen Beschluss auch in die Aufgabenstellung der Neubebauung (Werkstattverfahren) eingehen lassen: „Als Adressbildung für das neue Quartier ist (…) im Bereich Keupstraße/südliche Schanzenstraße ein besonderer Platz- oder Freiraum gewünscht. Im Quartier soll später ein ‚Erinnerungsort‘ gestaltet werden, der auf das Bombenattentat in der Keupstraße im Jahr 2004 verweist.“ Doch im Ergebnis des Verfahrens wird die eindeutige Aufgabenstellung des Rates völlig missachtet. Die Mehrheit des Gremiums empfiehlt nämlich einen Entwurf, der sich ausschließlich an den Vorgaben der Investoren orientiert und das Gegenteil des Ratsbeschlusses vorsieht, nämlich eine intensive vier- bis fünfstöckige Bürobebauung. In dieser Planung ist für das geplante Mahnmal kein Platz. Die Verantwortlichen in der Verwaltung haben – trotz ihrer Sonntagsreden – immer noch nicht begriffen, welche Bedeutung dieses Mahnmal für die postmigrantische Stadtgesellschaft hat. „Die Erinnerung an die gesellschaftlichen Zustände und an die Einrichtungen, die diese Tat nicht verhindert haben (…) ist unentbehrlich für den gemeinsamen Weg hin zu einer offenen demokratischen Gesellschaft. Das Denkmal soll ein Zeichen sein, dass die Kölner Stadtgesellschaft gemeinsam rassistischen Angriffen entgegen treten und sich für ein gutes Zusammenleben aller Menschen in Köln einsetzen will“, so die Initiative „Keupstraße ist überall“. Der Aufschrei in Köln bleibt bisher aus.
Köln-Mülheim ist ein umkämpfter Ort. Das Gelände, auf dem nach den Plänen der Investoren in den nächsten Jahren ein lukratives Quartier entstehen soll, ist ein ehemaliges Bahngelände. Vierzig Jahre lag das Areal brach, zwanzig Jahre forderten Mülheimer Bürger*innen eine Umgestaltung des Geländes. Sie planten in Bürgerinitiativen die Neubebauung, beschäftigen Städteplaner*innen und Architekt*innen und machten Vorschläge, ohne dass diese Eingang in die Planungen gefunden hätten. Die in der Interessengemeinschaft Keupstraße vertretenen Geschäftsleute wollten auf der Brache einen Wohn- und Geschäftskomplex errichten und dafür ein 17.000 Quadratmeter großes Areal kaufen. Doch der damalige Baudezernent lehnte ab. Die Initiative Platz für alle – Herkesin Meydanı hat im letzten Jahr zahlreiche Veranstaltungen und Aktionen durchgeführt. Die Betroffenen des Nagelbombenanschlages und die Geschäftsleute in der Keupstraße sehen die Pläne der Investoren zur Umgestaltung des Viertels inzwischen kritisch und wünschen sich gegenüber dem Eingang zur Keupstraße einen offenen Platz als Erinnerungsort. Mit einem offenen Brief an die Oberbürgermeisterin fordern zahlreiche namhafte Kulturschaffende, das Mahnmal an der Keupstraße zu realisieren, „das den Überlebenden des geplanten Massenmordes in der Keupstraße und den Überlebenden des Bombenanschlags in der Probsteigasse bisher verwehrt wurde.“ Das sei ein verantwortungsvolles Zeichen gegen rechtsterroristische Gewalt, jegliche Form von Ausgrenzung, Diskriminierung und für die damit verbundene Anerkennung der migrantisierten Bürger*innen und der Migrationsgesellschaft.