Turnstunde – Nachrichten vom Sportplatz
Ich weiß schon, was ihr sagen werdet: Das ist dieser neoliberale Körperkult, der mittlerweile vor niemandem mehr Halt macht, die vereinzelte „Arbeit am Ich“ um der eigenen Selbstoptimierung willen, der Wahn und die Anforderung, immer fit und munter zu sein, zu funktionieren ohne Wenn und Aber, ohne zu wissen, wozu eigentlich, und der Körper mittendrin als modellierbares, funktionales Ding, das es gesund zu halten gilt. Und wer das nicht tut, egal ob man nicht kann oder nicht will, ist selber schuld.
Jaja, ich weiß das alles zur Genüge. Und dennoch: Wieder mal dazu gezwungen, meine Zeit statt am Fußballplatz im Fitnesscenter zu verbringen, um meine Muskeln zu trainieren, damit meine Knie nach dem dritten Kreuzbandriss zumindest noch zum Laufen und Wandern taugen, bin ich fasziniert. Sieht man mal von den blöden Sprüchen ab – von denen ich manche, ich geb’ es zu, eigentlich ganz lustig finde –, so ist das Fitnesscenter, bei dem ich nun Mitglied bin und das eine dieser Billigsdorfer-Ketten ist, wo man sogar das Duschen noch extra zahlt (es sei denn man ist „Premium“-Mitglied wie ich), das mitunter Vielfältigste, was ich in meiner nun über 25-jährigen Sportkarriere in Wien gesehen habe.
Handball? Mittelschicht samt ungarischer, slowakischer und ex-jugoslawischer Einsprengsel, da dort Handball bei Mann und Frau sehr populär ist. Volleyball? Weiblich, weiß, wirtschaftlich wohl gestellt. Hockey? Akademiker_innensport inklusive skandinavischer Legionär_innen. Fußball? Bei den Burschen querbeet durch alle sozialen Klassen, aber bei den Frauen? Welche Familien haben keine Angst vor dem Mythos der Queerifizierung der Mädchen durch den Fußball? Bürgerlich-liberale MehrheitsösterreicherInnen zum Beispiel. Aber im Fitnesscenter, da sehe ich im Frauen … äh: DAMENbereich Hinzin und Kunzin, Alte und Junge, mit und ohne Kopftuch, dick und dünn, sportlich und so ziemlich das Gegenteil, halbnackt und verhüllt, zwei Kilo Stemmende und solche, die an die Achtzig drücken. Die einen kommen mit Billa-Sackerl ins Training (und ich habe sie ehrlich gesagt für eine jener Frauen gehalten, die im U-Bahn-Bereich nebenan Wärme suchen), die anderen mit Perlohrringerl und teurer Ledertasche, wieder andere mit dem Fake-Armani-Handtascherl und auch solche wie mich, die ihren Wanderrucksack in die kleinen Spinde stopfen, gibt es. Die letzte Gruppe, zu der ich also gehöre, ist jedoch deutlich in der Unterzahl.