MALMOE

Wie links ist die Umwelt?

Der Diskurs über Umweltschutz ist oft rechtskonservativ geprägt

Die Grünen sind im Wahlkampf vor allem eins: die Umweltpartei schlechthin. Doch kullern gerade auch bei Radikalkonservativen und Rechten dicke Krokodilstränen, wenn es um die Beschwörung von Natur und damit verknüpft um Heimat geht. Eine ideengeschichtliche Aufstellung von Naturkitsch führt zurück zu ultrakonservativen Denkern und einem gefährlichen Ideal von Natur.

Erstmal alles auf Anfang. Die Nationalratswahlen stehen in der Tür und der Klimaschutz ist nicht zuletzt durch Fridays for Future, Greta Thunberg und den Amazonasbrand in aller Munde. Prominent besetzt dieses Feld die Grüne Partei in Österreich. Dabei laufen sie jedoch Gefahr, eindimensional auf das, was ihnen als Natur gilt, zu blicken.

Zur Verbürgerlichung

Als linke Protestaktion ins Leben gerufen, war ihr Umweltschutz schon immer im Kontext von verantwortungsvoller Umweltauseinandersetzung und eben nicht nur ihrer Konservierung geprägt. Doch die damals jugendliche Dynamik, etwa bei der Besetzung der Hainburger Au oder den Protesten gegen das AKW Zwentendorf, wurde von der sauberen Luft in den bildungsbürgerlichen Wohnzimmern erstickt. Was danach kam, lässt sich unter dem Geniestreich „Bio macht schön“ verbuchen. Apolitisches Lifestyle-Gehabe und individualisierte Bio-Happy-Peppy-Welt bekamen frische Instagram-Gesichter in der Grünen Listenlandschaft. Hip, jung und Umwelt geht zusammen, soweit ist das klar – auch ohne Parteijugend. Für die Belange der älteren, ländlicheren Wähler_innenschaft lohnt es sich, nach Wild-Wild-West zu blicken. Vorarlberg als kleinstes Bundesland Österreichs stellt die Verträglichkeit von Mensch, Natur und – Achtung jetzt kommts – Wirtschaft prägnant zur Schau. Hier sind die Grünen trotz bundesweiter Krise im Landtag mit 17 Prozent drittstärkste Partei. Doch die Vorarlberger_innen lassen sich nicht lumpen. Sie wissen genau, wen sie da gewählt haben. Liebevoll werden hier die Grünen nämlich „schwarze Fahrradfahrer“ genannt. Das ist doch mal erfrischend ehrlich! Denn ja, die soziale Frage haben sie gehörig unter ihrer bürgerlich verträglichen Naturidealisierung verschwinden lassen. So sie nur ein Bild von Blumenwiesen und Berggipfeln in Heidi-Manier propagieren – denken Sie gerade auch an die Plakatserie des Tirolerbuam Van der Bellen? – ist es zu den Heimatgefühlen nicht mehr weit und um zwei, drei Ecken weiter wartet Blut- und Boden-Mentalität.

Braune Erde – grüne Wiesen

„Wir sind uns der Verbundenheit mit unseren Vorfahren und der Verantwortung für unsere Nachkommen bewusst und wollen für nachfolgende Generationen eine Heimat bewahren, die ein selbstbestimmtes Leben in einer intakten Umwelt und eine positive Weiterentwicklung in Freiheit, Frieden und Sicherheit ermöglicht“, liest es sich etwa im Parteiprogramm der FPÖ. Was als harmloses Wiesenblümchen anmutet, hat einen braunen Bodensatz, sieht man die Erde, in der sie gedeiht.

Das alles ist nichts Neues. Umweltschutz war noch nie ein per se linkes Thema. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts formierte sich rund um Arthur Moeller van den Bruck ein Zusammenschluss unter dem Namen Konservative Revolution. Der Staatstheoretiker Carl Schmitt oder etwa Philosophen wie Oswald Spengler und Martin Heidegger gehörten zu diesem elitären Kreis. Eine beschauliche Leistung dieser Boygroup war, dass sie nach 1945 den Nazistaub mit einer dicken Schicht Konservativismus anstrichen und sich einfach auf die Romantik, statt auf ihre Ideen im Sinne des Nationalsozialismus beriefen. In ihren Schriften ist 1958 etwa von „der dämonischen Automatenwelt“ und von „Maschinenmonstern“ die Rede, kurzum: Technologisierung sucks und die Moderne sowieso. Das Allheilmittel wird vom Philosophen Ernst Jünger gleich mitgeliefert: die „Rückkehr in die Wildnis“. Also zurück zur Barbarei?

Diese ultrakonservativen Ideen sind heute präsenter denn je. Ob Alexander Gauland, der Mirakulix der AfD, oder Martin Sellner, der schnittige Posterboy der Identitären, sie alle berufen sich gerne auf ihre ideologischen Vorväter, wenn sie wieder im Themensumpf Heimat, Identität und Natur herumstochern. Der eine schätzt sich glücklich, die Herren noch persönlich gekannt zu haben, der andere studiert sie fleißig an der Uni Wien. Sellner präzisiert folgerichtig die Implikationen: „Umweltschutz ist extrem eng und ganz klar mit Heimatliebe verknüpft“.

Umweltschutz alleine reicht nicht

Ok, aber was heißt das nun für die Grünen? Sollen sie sich gleich einem Schmetterling einkokonieren, in aller Solitüde ihren perfekten grünen Lifestyle ausüben und wie von selbst erblüht dann die strahlende Zukunft? Nein, denn individualisierte Politik löst eben keine sich gesellschaftlich aufdrängenden Probleme. Doch die Grünen haben Chancen. Die Chance auf ein Comeback als linksradikaler Schmetterling.

Doch wie kann das gelingen? Neben ihrer klaren Position in gesellschaftspolitischen Belangen – Stichwort Feminismus, LGTBQI, Diversity, Migrationspolitik, Bildungspolitik – fehlt es an der Verbindung mit der sozialen Frage. Wie in puncto Umweltschutz herausgearbeitet, sind Themenbereiche nicht per se links oder rechts, sondern die auszuverhandelnde Perspektive ist ausschlaggebend. Umweltpolitik kann als rechtes Retro-Utopia genauso auf dem Rücken der Ärmsten der Armen ausgetragen werden. Links sein bedeutet die Systemfrage an den Kapitalismus zu stellen und diese mit der ökologischen Frage zu verbinden. Dieser Ansatz ist Bedingung linker Politik. Sie ist Ausgang für die Gestaltung von Klima- und Umweltpolitik ohne Naturkitsch. Sie eröffnet die Chance, nachhaltige Politik ohne Rückbesinnung auf vermeintlich „einfachere“ Strukturen zu entwickeln. Und vor allem ist eine solche Reflexion Voraussetzung eines gesellschaftskritischen Naturschutzes. Auf Basis dieser Möglichkeit können die österreichischen Grünen jene linke Kraft sein, für die sie viele hoffnungsvoll wählen.