Gumpoldskirchen
In Österreich regiert das Glücksspiel, das kleine zumeist. Novomatic im beschaulichen Gumpoldskirchen ist einer der größten Glücksspielkonzerne in Europa und versteht es die Politiker*innen des Landes an den Roulettetisch zu bitten. Pröll, Hahn (ÖVP), Gusenbauer, Schlögl (SPÖ) und bekanntlich die Grüne Glawischnig, die einfach mal bei den Großen mitmachen wollte. Bei der aktuellen „Casino“-Affäre nun zu glauben, diese würde die FPÖ erledigen, ist überoptimistisch. Es hat immer den Hauch von Verzweiflung, wenn angenommen wird, Gerichte könnten erreichen, woran Parlamente scheiterten. Natürlich haben die Blauen nach ihrem Machtgewinn 2017 wieder versucht an den Novomatic-Spieltisch zurückzukehren und dabei vielleicht manchem manches versprochen. Nur, strafrechtlich relevant war das vermutlich nicht. Kommt es zu keinen Verurteilungen, putzt die FPÖ sich ab. Die Grundmisere bleibt, dass dem kaum erträglichen Ineinandergreifen der Gewinninteressen des Konzerns und der willfährigen Politik, die gerne die liberalisierenden Gesetze bereitstellt, wenig entgegenzusetzen ist. Ein Blick in eine Spielhölle sollte den Politiker*innen reichen, um die ungeheuren sozialen und gesellschaftlichen Folgen abzuschätzen. Mit leerem Blick starren die Opfer der „Einarmigen Banditen“ auf die Displays der Apparate. Kleine Gewinne werden genauso teilnahmslos registriert, wie die ungeheuren Verluste, die den Tag über ruinös anwachsen. Freude am Spiel hat hier niemand. Alle sind verelendet von ihrer Sucht und liefern den letzten Groschen bei jenem Konzern ab, der sich damit die verschiedenen österreichischen Regierungen gefügig hält. Ob man das Glücksspiel ganz abschaffen kann? Unwahrscheinlich, es ist zu tief im Bewusstsein einer kapitalistischen Welt verankert, bei der die Individuen noch auf dem Sterbebett auf den „großen Gewinn“ hoffen. Nur, würden dem Glücksspielkonzern nicht andauernd politische Gefallen getan, dann ließe sich zumindest verhindern, dass Österreichs Regierende ganz offensichtlich korrupt wirken.
Gipfel
Es wird wieder gewählt im Land der Berge und natürlich will auch noch-Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz weiter regieren. Deshalb sollte jetzt ein altes Bergsteiger-Video von Kurz neu gesichtet werden, in dem er davon fantasierte „Österreich zurück an die Spitze zu führen“ (Es ist nicht auszuschließen, dass er über die heimische Textilindustrie spricht). Das Video hat bereits die letzte Nationalratswahl hervorgebracht. Kurz, schon vor der Wahl ganz schwarz-blau angelaufen, warb darin nicht etwa für Kletterausrüstung, sondern schnürte seine Schuhe und klickte Karabiner an den Klettergurt für das größere Wohl: „Österreich ist das schönste Land der Welt. Und seine Menschen haben das Beste verdient.“ Noch ein kurzer Blick auf die Karte, dann begann das frühmorgendliche Solo-Klettern. Schon der Ethnologe Kayonga Kagame weist auf den Umstand hin, dass sogenannte weise Männer im Himalaya auf Berge stiegen, um dort nach Erleuchtung zu suchen. Auch Kurz scheint etwas auf dieser Bergspitze gesucht zu haben. Was er fand war ein stählernes Kreuz an dem verwaschene Stoffwimpel im ersten Morgenlicht flatterten. Eine religiöse Übung, sieht Kagame darin, eine asketische Suche nach Weisheit, die erst in Gegenwart der tibetischen Gebetsfahnen am Gipfelkreuz ihr vorläufiges Ende fand. Oder eher eine Pause, wurde doch der jüngste Kanzler aller Zeiten von missgünstigen Mitbewerber*innen von der Regierungsspitze verdrängt. Den folgenden ebenso gefahrvollen wie schwierigen Abstieg beschrieb bereits der Genosse Wladimir Iljitsch in seinem Text „Über das Besteigen hoher Berge“. Darin berichtete Lenin von seinem Bergsteiger: „Er mußte umkehren, sich nach unten begeben und neue Wege suchen, die, wenn vielleicht auch langweiliger, doch immerhin die Möglichkeit zur Erreichung des Gipfels bieten.“ Dieser Drang den Gipfel zu erreichen, eint Revolutionär und Realpolitiker. Allerdings sucht Kurz nach „dem richtigen Weg“ den Gipfel der Macht zu erreichen, um sich dort zu halten, während Lenins Bergsteiger nach einem Weg sucht dieses Verhältnis nachhaltig zu verändern.
Kakanien
Österreich wählt. Und Österreich ist ein seltsames Land. Das war schon früher so, als es noch Kakanien hieß. Das Merkmal von Kakanien war seine Trägheit und die Skepsis gegenüber technologischem Fortschritt. Desinformationskampagnen und der Kampf um Meinungshoheit, hat in großen und wichtigen Ländern schon lange den Namen „Info-Wars“ bekommen. Jetzt hat auch Österreich seinen Info-War, allerdings auf kakanisch. Der Falter veröffentlicht nicht nur den neuerlich geplanten Gesetzesbruch der Langzeit-Regierungspartei ÖVP, sondern auch noch die herrschaftlichen Ausgaben der Kurzadministration für Privatpartys, Beratungen und Friseurbesuche. Natürlich auf Parteikosten. Doch dann rückten die türkisen wohl-bald-wieder Regierungsspitzen aus zum Info-Widerstand. Sie seien „gehacked“ worden, es wären Daten manipuliert worden, ein Anschlag auf die Demokratie wird geortet. Noch mehr: Ein Anschlag im Ausmaß von Watergate. Moment – Watergate? Gabs da schon Internet und Cybersecurity, Tor und Webserver? Daten, die eigentlich in der Lichtenfelsgasse hätten bleiben sollen, sind jetzt beim Falter. Und die majestätischen Herrschaften rotieren. Doch statt dem Falter der Lüge zu bezichtigen, könnte die eigene IT-Sicherheitsabteilung modernisiert werden? Hacker gibt’s nicht erst seit Ibiza. Oder kommt der bösartige Anschlag auf die türkise Demokratie nicht doch aus der eigenen Zentrale? Info-Widerstand ist jedenfalls Realität: ständige Wiederholung derselben Phrasen, um zu verschleiern, dass bis heute keine Beweise für den erfolgreichen „Hack“ vorliegen. Doch der Großteil von Österreich ist beruhigt, immerhin wurde via Presse die Wahrheit zugespielt: ein Anschlag auf den Altkanzler! Kurz, der muss ja fast mehr ertragen, als es der Altkaiser Franz-Josef musste.