MALMOE

„Eine Partei wie jede andere“

Ein Kommentar über die Zusammenfassung des FPÖ-Historikerberichts

5. August 2019, FPÖ-Bundeszentrale. Das Publikum besteht ob des Sommerlochs aus fast allen Innenpolitik-Journalist_innen Österreichs. Auf einem Tisch liegen drei Stapel Papier. Die Protagonisten treten ein und platzieren sich hinter dem Tisch. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, der Kommissionsleiter, Jurist und Ex-FPÖ-Abgeordnete Wilhelm Brauneder sowie der Partei-Ideologe Andreas Mölzer. Sie werden links und rechts von zwei der Kommissionshistoriker flankiert. Ihnen fällt, wie sich herausstellen wird, nur die sprachlose Statistenrolle zu. Voller Stolz deutet Hafenecker auf die Papierstapel und erklärt dem Publikum: der dünnste Stapel ist der ÖVP-Historikerbericht, der mittlere der SPÖ-Historikerbericht und bei dem mit über 1000 Seiten dicksten Stapel handelt es sich um den FPÖ-Rohbericht. Das Publikum ist gebannt. So viel Papier. Ob man in den Bericht nun Einschau erhalten wird? Natürlich nicht, lautet die Antwort. An Stelle dessen wird eine 32-seitige „Zusammenfassung des Rohberichts“ verteilt. Ein erster Blick auf das Papier zeigt, dass – so wie auf dem Podium – auch in der 16-köpfigen Kommission selbst keine Wissenschaftlerinnen vertreten sind, obwohl Margit Reiter die profundeste Kennerin des „Dritten Lagers“ ist. Sie wurde nicht eingeladen. Unnötig zu erwähnen ist wohl auch, dass keine ausländischen Wissenschaftler_innen in der Kommission zu finden sind. Dafür wimmelt es bei den Kommissionsmitgliedern nur so von Nicht-Experten.

White-Washing-Kommission

Analysiert man den Bericht, so ist die dahinter liegende Strategie leicht zu erkennen. Zum einen wird die Leitfrage gestellt, ob VdU und FPÖ „formelle Nachfolgeorganisationen der NSDAP“1Alle Zitate stammen aus: Die FPÖ-Historikerkommission. Zusammenfassung des Rohberichts. waren oder sind. Natürlich nicht, denn dann wären sie nicht gegründet worden, sondern nach dem Verbotsgesetz aufgelöst. Doch mit dieser Fragestellung wird die Untersuchung von vornherein beträchtlich eingeschränkt, indem sie die zahlreichen ideologischen, personellen und organisatorischen Berührungspunkte und Überschneidungen der FPÖ mit dem Rechtsextremismus nach 1945 – ob neonazistisch oder nicht – unbehandelt lässt.

Zum anderen wird jedes Eingeständnis sofort relativiert. So wird etwa festgestellt, dass die VdU und FPÖ Nationalratsabgeordneten und Vorstandsmitglieder in den ersten Nachkriegsjahrzehnten „eindeutig von den ‚Belasteten‘ dominiert“ waren, jedoch nur, um das im nächsten Satz zu relativieren: „Andererseits muss hervorgehoben werden, dass bei der ersten Wahl, an der die amnestierten Nationalsozialisten teilnehmen durften, alle Parteien um deren Stimmen buhlten, welche sich dann auch ziemlich gleichmäßig auf alle Parteien verteilen sollten.“ Was die Zahl der Nazis aus VdU und FPÖ, die im Parlament und Vorstand saßen, mit ihren Wähler_innen zu tun hat, bleibt unklar.

Die Auseinandersetzung Thomas Grischanys mit den ideologischen Berührungspunkten zwischen FPÖ und NSDAP ist von Rechtfertigung und Ausblendung geprägt. Dies gilt insbesondere für die unkritische Auseinandersetzung mit dem freiheitlichen Bekenntnis zur „deutschen Sprach-, Kultur- und Volksgemeinschaft“, das Norbert Hofer 2011 nach dem Intermezzo unter Haider zurück ins Parteiprogramm holte. Die Frage, ob die FPÖ, wenn nicht nazistisch, so vielleicht doch eine rechtsextreme Partei sei, wird folgendermaßen behandelt: „Auch die Behauptung, dass die FPÖ ‚rechtsextreme‘ Züge trage, hält einer näheren kritischen Betrachtung nicht stand.“ Punkt. Wir warten nun gespannt auf die kritische Betrachtung. Allein, es bleibt bei dieser Behauptung. Kurz angerissen, um sie dann handstreichartig zu entsorgen. Weshalb sie keine „rechtsextremen Züge“ aufweise, wird weder begründet, noch findet eine Auseinandersetzung mit den dahingehenden Argumenten der Kritiker_innen statt.

Nationaler Eiertanz

Ein besonderes Gustostück ist der Eiertanz um die Begriffe Identität, Ideologie, nationalliberal sowie Sprach-, Kultur- und Volksgemeinschaft. Die Zugehörigkeit sei eine im „(Partei-)programm verankerte Grundüberzeugung – und zwar dem Bekenntnis der Zugehörigkeit zur deutschen Sprach-, Kultur- und Volksgemeinschaft.“ An anderer Stelle wird als einer der „wichtigsten freiheitlichen Grundwerte […] der Schutz der österreichischen nationalen und kulturellen Identität“ festgehalten. Wenn dann noch von der „grundsätzlich nationalliberalen ideologischen Ausrichtung der FPÖ“ schwadroniert wird und sich die FPÖ den Titel „Heimatpartei“ verliehen hat, dann wird einem ziemlich schwindelig im Kopf. Was nun? „Deutsche Volksgemeinschaft“ oder „Österreichische Identität“? Beides geht wohl nicht so recht zusammen. Und was könnte man unter „nationalliberaler Ausrichtung“ verstehen? Und welche Heimat meint nun die selbsternannte „Heimatpartei“?

Im Resümee wird dann klar, worauf nicht nur dieses Papier, sondern die gesamte Studie hinauslaufen soll. VdU und FPÖ haben einen „signifikanten Teil der Bevölkerung [gemeint sind die NSDAP-Mitglieder, d. A.] in das politische System sowie in die Zivilgesellschaft der Zweiten Republik integriert und damit auch die Stabilität in Österreich gewährleistet. […] Gerade vor dem Hintergrund der Stabilisierung der Republik sollte daher die Geschichte der FPÖ als einer staatstragenden und demokratischen Partei mit einem nationalliberalen Programm auch als wichtiger Beitrag zur Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik gewürdigt werden.“

Damit ist das Ziel des Berichts auch schon klar definiert. Wilhelm Brauneder, Leiter der Kommission, fasste es in der Pressekonferenz präzise in dem Satz die FPÖ sei „eine Partei wie jede andere“ zusammen. Letzten Endes bedeutet dieser Anspruch den Versuch, eine rechtsextreme Partei in der gesellschaftlichen Mitte zu positionieren und salonfähig zu machen.