Bike.Polo.Stadt. #17
Ich liebe Bikepolo! Wer hätte das gedacht? Ich liebe auch vieles andere, so ist das nicht … aber Polo gehört definitiv zu dem Besonderen unter dem Besonderen in meinem Leben. Über die Jahre, die ich nun diese Kolumne schreibe, hat sich Bikepolo bei mir von einer Sportart zu einer Lebenseinstellung entwickelt, ja geradezu verdichtet.
Als RadfahrerIn ist man in rückschrittlichen Ländern wie Österreich immer irgendwie außenstehend, fast alle Dinge des öffentlichen Raums sind gegen die Fortbewegung mit dem Rad geplant; viele Menschen scheinen die sie umgebenden Fehlplanungen aus Mangel an Vorstellungskraft und Wissen nicht zu erkennen und verstehen folglich die Probleme, die wir mündigen VerkehrsteilnehmerInnen haben, nicht. Seine eigene Unmündigkeit erkennt man immer erst, wenn man es nicht mehr ist. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Umbau der Kärntnerstraße zur Fußgängerzone im Jahr 1974. Dieselben Menschen waren vor dem Umbau mit Überzeugung gegen das Projekt – und nach dem Umbau dafür. Völlig überraschend war eine ruhige, autofreie und saubere Umgebung besser als eine laute, dreckige und gefährliche. Was Mensch nicht weiß, kann er nicht denken, so hart, so wahr.
Bevor ich Bikepolo entdeckt habe, war ich auf den Straßen dieses Landes bereits mehr als 20 Jahre bei jeder (politischen) Wetterlage per Fahrrad unterwegs – die Ablehnung, die einem in dieser Zeit von primitiven Zeitgenossen widerfährt, ist ein riesiges Schwarzes Loch, in das man sich hüten sollte hineinzufallen. Man sammelt Erfahrungen, die man einem Menschen, der sich nicht regelmäßig auf das Fahrrad setzt, nicht vermitteln kann, zumindest nur sehr schwer. Ich merke das an mir wohlgesonnenen Menschen, mit denen ich sehr viel teile, ausgenommen das Fahrradfahren. Selbst wenn sie einem vertrauen und begreifen wollen – ganz glauben können sie einem dann doch nicht, und schon ist man „der Radfahrer“, im besten Fall ein Nerd, im schlimmsten verrückt, auf jeden Fall aber gilt man als anders und zumindest in Bezug auf das Radfahren als nicht ganz normal, eine Leidenschaft, okay, soll’s ja geben. Aber dass man zum Radfahren angefangen hat, weil es richtig ist und nicht weil man es liebt, dass die Liebe erst später kam, wollen nur sehr wenige hören.
Es gibt niemanden, der Bikepolo spielt, der diese Erfahrungen nicht schon gemacht hat. Wir reden selten darüber, aber wir wissen voneinander, dass wir alle mit dieser Ausgrenzung leben. Ja, Ausgrenzung. Nicht alle in der Polo Community würden dieses Wort verwenden wollen, aus Gründen, die ihr gutes Recht sind und hier privat bleiben sollen, aber im Endeffekt ist es Ausgrenzung, wenn sowohl Gesetz, öffentliche Meinung als auch gelebtes Recht so gut wie immer gegen einen stehen. Bettina Eibel-Steiner in der Presse und Doris Knecht im Falter fordern aktuell „endlich unsere Belohnung“ fürs Radfahren ein. Das ist toll und richtig und beide Medien sind gute Orte, um dies zu fordern. Es schadet nicht, wenn in der Presse auch mal etwas steht, das stimmt, und dem Falter-Publikum tut es auch ganz gut daran erinnert zu werden, dass mit Macht auch Verantwortung einhergeht. Nur die Belohnung wird es nicht geben. Zumindest nicht in absehbarer Zeit.
Bikepolo ist keinesfalls homogen, die Menschen, die es betreiben, kommen aus unterschiedlichsten Welten. Aber sie teilen viele (unausgesprochene) Erfahrungen. Bikepolo, so wie ich es erlebe, ist ein Ort, an dem die geschundene RadfahrerInnenseele endlich einmal frei sein darf. Sich endlich einmal nicht erklären, endlich einmal nicht um sein Recht auf Existenz kämpfen müssen, endlich einmal loslassen können.
Und trotzdem: Über Bikepolo zu schreiben, ist ein bisschen wie von Sex zu erzählen. Bei denjenigen, die wissen, wovon man spricht, klingelt etwas; und diejenigen armen Seelen, denen die Erfahrung bisher verwehrt blieb, wissen nicht so recht, wohin mit den Worten. Klar gebe ich mir Mühe, diese Kluft zu überbrücken und zumindest einen Teil der Faszination Bikepolo zu vermitteln, aber schon während ich diese Zeilen schreibe, denke ich, um wie viel besser wäre es, einfach Polo zu spielen anstatt davon zu schreiben. Egoistisch, ich weiß. So ist das mit der Liebe. Man will sie immer für sich.