Zwischen Graz und Berlin ist der erste Longplayer der Post-Punk-Band Imposition Man entstanden
Schlägt man in einem Englisch-Deutsch-Wörterbuch nach, wird für „imposition“ als mögliche Übersetzung „Aufzwingen, das“ vorgeschlagen. Es ist ein klassischer Fall einer Übersetzung ohne allzu großen Erkenntnisgewinn. Eher ist man irritiert – denn was die Band Imposition Man fabriziert, hört sich nicht danach an, als wolle sie sich den HörerInnen in einem anbiedernden Sinne aufzwingen – der Sound ist vielmehr in einem phlegmatischen bis nihilistischen Punk-Gestus verhaftet, geht tendenziell in Richtung des Mottos „Take it or leave it“.
Als korrekte Übersetzung ihres Namens gibt die Band selbst „Aufbürdungsmensch“ an. Diese Wortkreation wird man wiederum nicht in einem Wörterbuch finden. Wenn man sich also immer noch nicht schlauer fühlt, hilft die Erklärung von Sänger Markus Gönitzer. Der Name sei ein „konzeptioneller Frame“ und verweise auf nicht mehr und nicht weniger als das neoliberale Subjekt, das zwischen Vergleichszwang, Wettkampf und Optimierung mit sich selbst ringt. Gönitzer sagt über sich und seine zwei Bandkollegen Tillman Rexilius (Bass) und Marian Gmeiner (Gitarre): „Wir sind ja alle drei ziemliche Imposition Men. Wir sind DIY-Musiker, aber gleichzeitig in tausend andere Sachen verstrickt. Dass wir nebenher dieses Album geschaffen haben, ist wirklich leiwand und für mich persönlich sehr zufriedenstellend.“
Neben den tausend anderen Sachen, die die drei also tagtäglich bewerkstelligen, war die Haupt-Herausforderung beim Entstehungsprozess des Albums die Distanz zwischen den Wohnorten der Bandmitglieder. Gmeiner und Rexilius leben in Berlin, Gönitzer hingegen in Graz. Alles in allem habe das gemeinschaftliche Arbeiten an der LP aber erstaunlich gut funktioniert. „Marian, der ja den Großteil der Songs schreibt, hat mir Skizzen oder mehr oder weniger fertige Tracks geschickt, ich hab’ mich dann in Graz in den Proberaum gestellt, damit herumprobiert und recht kaputte Voice Recordings zurück nach Berlin geschickt“, erklärt der Sänger von Imposition Man. Im Sommer 2018 schließlich trafen sich alle drei fünf Tage lang in einem Berliner Studio und spielten das Album ein.
War vorher die Rede von post-punkigem Phlegma und Nihilismus, die den Sound der LP prägen, muss hinzugefügt werden, dass solche Stimmung bei den Live-Auftritten von Imposition Man nun gar nicht aufkommt. Das liegt vor allem an der Energie, die Markus Gönitzer auf die Bühne bringt. Die Verwendung des Mikrofonkabels zur Selbstgeißelung, das Winden und Kriechen über den Boden der Stage, der starre und mysteriöse Blick in die Leere – Gönitzer performt gekonnt die in den späten 1970ern erfundene Figur des tiefsinnigen Punk-Drangsals, während Gmeiner und Rexilius im Hintergrund stoisch für unerschütterlichen Antrieb sorgen.
Im Vergleich zur letzten Veröffentlichung, ein 2017 erschienenes Tape, mache die LP einen Schritt in Richtung „Weirdness“, meint Gönitzer: „Das Tape hatte noch mehr schwelgerische und ‚dreamy‘ Momente. Die Platte ist stärker geprägt von schrägeren Beats und unklassischen Songstrukturen“. Klassisch hingegen bleibt die Dauer der Songs auf dem selbstbetitelten Album, sie gehen selten über drei Minuten hinaus, bleiben manchmal gänzlich instrumental. Zum Abschluss machen Imposition Man schließlich ein Promise of Salvation: „Where I find joy is where I / should be“. In der Tat eine für die Aufbürdungsmenschen untypische Ansage, die man sich jedoch zu Herzen nehmen möchte.
Imposition Man: s/t, Cut Surface 2019