MALMOE

Klimawandel ist Klassenkampf

Feministische Ökonomie #9

63 % der weltweiten industriellen CO2- und Methan-Emissionen, die seit Mitte des 18. Jahrhunderts bis 2010 produziert wurden, können auf nur 90 Unternehmen mit Hauptsitzen in 43 Ländern zurückgeführt werden. Die 10 größten Unternehmen allein produzierten im Jahr 2010 insgesamt 15,8 % aller globalen Emissionen1Heede, Richard (2014): Tracing athropogenic carbon dioxide and methane emissions to fossil fuel and cement producers, 1854-2010. Climatic Change 122 (1-2), pp. 229-241. – und ja, manche Menschen (vorwiegend westliche Männer) sind dadurch ziemlich reich geworden.

Der Profit der globalen Big Boys entsteht durch Ausbeutung auf mehreren Ebenen: auf betrieblicher Ebene einerseits, in der Form vom Einbehalten des Mehrwerts, aber auch auf der Ebene der Klimaerwärmung, die einem geringen Teil der Weltbevölkerung enormen Reichtum verschafft, dabei aber sukzessive die Lebensgrundlage von zahlreichen Menschen zerstört – bis hin zur Unlebbar-Machung des Planeten Erde in letzter Konsequenz.

Folglich ist der Kampf gegen Klimawandel ein internationaler Klassen-, Generationen- und auch Geschlechterkampf – und es ist höchste Zeit, dass er als solcher ausgetragen wird. Dennoch drehen sich vorherrschende Debatten rund um den Klimawandel hauptsächlich um individuelle Verantwortung: die Vermeidung von Plastik-Verpackungen, die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Mülltrennung, den Kauf von (nur für manche leistbaren) regionalen Bio-Produkten usw. Durchwegs Rettungsaktionen, die in privaten Haushalten großteils von Frauen erledigt werden sollten. Die neoklassische Logik des methodologischen Individualismus verschleiert das eigentliche Problem und zugleich die notwendigen Maßnahmen. „Nachhaltig Leben“ wird zu einer individuellen Klassen-Performance, die für die meisten Menschen nicht leistbar ist, und dabei noch den Wohlstand weniger Menschen vermehrt. Und obwohl „nachhaltiger Konsum“ weitgehend privilegierten Klassen vorbehalten bleibt, zeigt sich: Die CO2-Produktion von Haushalten steigt mit der Höhe des Haushaltseinkommens.2 Jones, Christopher M.; Kammen, Daniel M. (2011): Quantifying Carbon Footprint Reduction Opportunities for U.S. Households and Communities. In: Environmental Science & Technology 45 (9), pp. 4088-4095.

Die Schuld für den Klimawandel auf individuelle Ebene zu verlegen hat zur Folge, dass Einzelpersonen sich für den Kauf von importiertem Gemüse schlecht fühlen, während sie eigentlich wütend sein sollten auf die wenigen Gewinner_innen im internationalen Patriarchal-Kapitalismus, die davon profitieren, dass der Planet Erde zerstört wird.

In ähnlicher Weise lenken empirische Befunde, welche die Pro-Kopf-Produktion von CO2- Emissionen auf nationalstaatlicher Ebene im internationalen Vergleich messen, vom eigentlichen Problem, den transnationalen Ausbeutungsverhältnissen, ab. Somit wird ein nationalstaatlich beschränktes Bewusstsein für ein globales Problem geschaffen – ein Problem, das eigentlich Solidarität auf internationaler Ebene verlangt.

Eine aktuelle Studie von Fujimori et al., die im Mai 2019 veröffentlicht wurde, hat ergeben, dass sogar die Umsetzung der Ziele zur Bekämpfung von Klimawandel, die durch die Sustainable Development Goals (SDGs) formuliert wurden, insbesondere zu Lasten des ärmsten Teils der Weltbevölkerung gehen würde. Notwendige Reformen im landwirtschaftlichen Bereich bewirken eine Anhebung der Nahrungsmittelpreise. Generell zeigt sich, dass der Nahrungsmittelkonsum in reichen Ländern unabhängig von Preisschwankungen weitgehend stabil bleibt, während es in armen Ländern durch Preisveränderungen zu starken Schwankungen kommt, die zu Hunger und Unterernährung führen. Das im Paris Agreement formulierte Ziel, die 1,5° C Grenze für die globale Klimaerwärmung nicht zu überschreiten, würde – im Vergleich zum 2° C-Szenario3Fujimori, Shinichiro et al. (2019): A multi-model assessment of food security implications of climate change mitigation. In: Nature Sustainability 2, pp. 286-296. – dazu führen, dass 250 Millionen Menschen zusätzlich von Hunger und Unterernährung betroffen wären.

Zusammengefasst: Individuelles – wenn auch gut gemeintes – Handeln ist nicht genug, um den Klimawandel aufzuhalten. Wir als Weltgesellschaft tragen die moralische Verantwortung, dieses globale Problem, das zu einem großen Teil aus kapitalistischer Profitgier entstanden ist, nicht auf den ärmsten Teil der Weltbevölkerung abzuwälzen. Es braucht Maßnahmen, die mit Umverteilung auf globaler und intersektionaler Ebene verbunden sind – eine Umverteilung, die zu Lasten des enormen Profits des Big Boys Club geht.

Es ist davon auszugehen, dass solche Maßnahmen nicht von den Reichen und Einflussreichen umgesetzt werden. Deswegen, gerichtet an jene Menschen, die nicht unter den Profiteur_innen des Klimawandels weltweit sind: Lasst uns gemeinsam wütend sein!

Und, gerichtet an jene Menschen, die enormen Profit aus der Zerstörung des Planeten ziehen und versuchen, Klimawandel als individuelles oder nationalstaatliches Pro-Kopf-Problem darzustellen: Ihr habt unsere Wut verdient.