Im neuen Band der von FIPU herausgegebenen Rechtsextremismus-Reihe steht die Kategorie Geschlecht im Mittelpunkt
Bereits zum dritten Mal ist es der Wiener Forschungsgruppe FIPU (Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit) gelungen, eine vielschichtige und auch für Nicht-Akademiker_innen gut verständliche Auseinandersetzung mit den aktuellen Auswüchsen des Rechtsextremismus zu liefern. Der kürzlich erschienene dritte Teil der Reihe Rechtsextremismus widmet sich der „geschlechterreflektierten Perspektive“.
„Die Wahl des Schwerpunkts erfolgte dabei nicht zufällig“, schreiben die Herausgeber_innen in ihrer Einleitung, „sondern spiegelt eine steigende Relevanz von Geschlechterdiskursen und Antifeminismus sowohl in der extremen Rechten als auch in deren Kritik wider“. Die Beiträge erschöpfen sich aber nicht in einer reinen Beschreibung dieser steigenden Relevanz, sondern liefern Analysen, Ableitungen und Handlungsmöglichkeiten aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Nach einem Überblick über die geschlechterreflektierte Rechtsextremismusforschung in Österreich von Judith Götz widmet sich Carina Klammer den Körper- und Geschlechterbildern im Nationalsozialismus und ihrem Nachwirken nach 1945. Andreas Hechler analysiert in seinem Beitrag den Umgang der extremen Rechten in Österreich mit Intergeschlechtlichkeit und betont darin die Wichtigkeit der Geschlechterbinarität für rechte Theorie und Praxis. Seine Ausführungen schließt er mit einem Appell an alle Antifaschist_innen, Interdiskriminierung, Cis-Sexismus und Zweigeschlechtlichkeit zu einem zentralen Auseinandersetzungsfeld zu machen.
Mit rechtsextremer Erziehung in Familien sowie in der Jugendarbeit beschäftigt sich Lisa Auzinger und liefert mögliche Handlungsperspektiven gleich mit. Weitere Beiträge befassen sich mit der FPÖ und Ideologien und Rhetorik des rechten Antifeminismus sowie der Frage, warum sich das Thema Gender so gut eignet, um verschiedene rechte und rechtsextreme Gruppen über ideologische Unterschiede hinweg zu vereinigen. Heribert Schiedel diskutiert in seinem Beitrag, ob rechtsextreme Ideologie bestimmte Männer und spezifische Männlichkeiten besonders anspricht. Wie auch in den vorangegangenen Bänden darf eine kritisch-solidarische Auseinandersetzung mit der antifaschistischen Praxis nicht fehlen. Anna Jungmayr, Judith Götz und Katharina Nöbl reflektieren in ihrem Text „Hätt’ Maria abgetrieben …“ die Proteste gegen Abtreibungsgegner_innen in Österreich.
Gemeinsam ist allen Beiträgen die Überzeugung, dass eine umfassende und ganzheitliche Analyse des Rechtsextremismus ebenso wie die Kritik an ihm ohne geschlechterreflektierte Perspektive nicht möglich ist. Zwar hat die Kategorie Geschlecht in den letzten Jahren sowohl in der Rechtsextremismusforschung als auch in der antifaschistischen Bewegung an Relevanz gewonnen, dennoch bleibt sie meist nur ein Zusatzkapitel oder ein einzelner Beitrag in einem Sammelband. Dieser Tendenz tritt die FIPU entgegen.
FIPU (Hg.): Rechtsextremismus. Band 3: Geschlechterreflektierte Perspektiven, Mandelbaum Verlag, Wien 2019