Antifeminismus ist kein neues Phänomen und war schon immer als ein aggressives Festhalten an patriarchalen Strukturen zu verstehen
Die aktuelle politische Situation in Europa, den USA und noch vielen anderen Gegenden der Welt zeigt: Ökonomische Krisen haben nicht zu einer Absage an den Kapitalismus geführt, sondern eher zu einer Sündenbock- und Radfahrer*innen-Mentalität (nach oben buckeln, nach unten treten) und damit rechten Bewegungen Vorschub geleistet. Auch heute noch wird der beinahe jeder rechten Mobilisierung inhärente Antifeminismus nur selten als solcher benannt und somit nicht als zentrales Bindeglied der Konservativen bis extrem Rechten erkannt.
Zur Begriffsklärung: Antifeminismus ist kein Synonym für Sexismus. Denn anders als Sexismus, der ein gesellschaftliches Verhältnis benennt, das auf einer binären Einteilung in zwei Geschlechter aufbaut und teils sogar unbewusst als Männern und Frauen Gelesenen unterschiedliche Fähigkeiten zuschreibt und patriarchale Strukturen hervorbringt, baut Antifeminismus zwar auf Sexismus auf, ist aber viel mehr als ein Angriff auf feministische, emanzipatorische und gleichstellungspolitische Bewegungen und Errungenschaften zu verstehen.
Fehlende Betrachtung historischer Kontinuitäten
In den letzten Jahren haben sich Teile der Geschlechterforschung und feministisch-antifaschistische Gruppen zunehmend der Analyse des Antifeminismus angenommen. Geschlechterforscher*innen nennen das Phänomen teils Anti-Genderismus, einen Begriff, den ich für unsauber und ahistorisch halte. Denn zum einen impliziert der Begriff, es gäbe „Genderismus“ im Sinne der verschrobenen Vorstellung von AntifeministInnen. Darüber hinaus benennt der Begriff lediglich Mobilisierungen gegen alles rund um de-konstruktivistische Gender-Konzepte. Diese Mobilisierung ist in den letzten Jahren eine sehr diskursmächtige Variante des Antifeminismus, steht jedoch in einer klaren Tradition weiterer Varianten des Antifeminismus. Der Begriff Anti-Genderismus übersieht diese und behauptet ein genuin neues Phänomen, wie ich in meinem Buch Angst um die Vormachtstellung. Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus ausführlich argumentiere.
Gegenbewegung zur entstehenden ersten Frauenbewegung
Organisierter Antifeminismus tritt im deutschsprachigen Raum das erste Mal als Gegenbewegung zur entstehenden ersten Frauenbewegung ab etwa 1870 auf. Geprägt wurde der Begriff von der feministischen Publizistin Hedwig Dohm, die in ihrem bereits 1902 veröffentlichten Werk Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung mit viel Scharfsinn und Witz Angriffe auf die Frauenbewegung auseinandernimmt. Der Frauenbewegung, die sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formierte, gelang es innerhalb kurzer Zeit große Erfolge zu verzeichnen. So öffneten sich in vielen europäischen Ländern Institutionen der höheren Bildung wie Gymnasien und Universitäten schrittweise für Frauen. Frauen stand zunehmend der Zugang zur Erwerbsarbeit offen, was für bürgerliche Frauen eine Alternative zur klassischen Versorgungsehe bedeutete. Zunehmend wurde in vielen Ländern als Resultat jahrelanger Kämpfe das aktive und passive Wahlrecht für Frauen eingeführt.
Doch die Frauenemanzipation und zunehmende Gleichberechtigung bedeuteten automatisch, dass nun mehr Menschen Privilegien zustanden, die zuvor lediglich Männern, insbesondere bürgerlichen Männern, zugänglich waren. Die gesellschaftliche Ordnung, das Patriarchat, wurde durch den verstärkt gleichberechtigten Zugang (vermeintlich) infrage gestellt. Aus diesem Grund, und auch aufgrund des vorherrschenden Bilds, dass Männern die Politik zustehe und Frauen das Private, gab es zahlreiche GegnerInnen der Frauenemanzipation. AntifeministInnen fanden sich damals in beinahe allen gesellschaftlichen Bereichen. Dass der Antifeminismus weniger eine vermeintlich rationale Grundlage hatte wie die Angst vor Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, sondern vor allem ideologischer Natur ist, zeigt sich am sogenannten Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband. Denn Frauen übernahmen meist Berufe im sich neu entwickelnden tertiären Sektor, waren Männern arbeitsrechtlich meist nicht gleichgestellt und stellten daher keine Konkurrenz für männliche Beschäftigte dar. Aus diesem Grund legten viele Beamten- und Angestelltenverbände die anfängliche Abwehr der Frauenerwerbsarbeit ab. Trotzdem lehnte der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband, in dem am Vorabend des Ersten Weltkrieges etwa 40 % der deutschen Arbeiter organisiert waren, sowohl Frauen als auch Juden als Mitglieder kategorisch ab und bezeichnete sie als „Schmutzkonkurrenz“. Hier zeigt sich in der Ausgrenzungspraxis eine Nähe von Antifeminismus und Antisemitismus. Dies wird am Beispiel des Deutschen Bunds zur Bekämpfung der Frauenemanzipation noch deutlicher. Der Verband gründete sich 1912 unter dem Slogan „dem Mann der Staat, der Frau die Familie“, mit dem Ziel das Frauenwahlrecht zu verhindern. In diesem Verband waren zahlreiche AntisemitInnen, NationalistInnen und EugenikerInnen organisiert, die vor dem „Volkstod“ aufgrund der Frauenemanzipation warnten, was in der Realität natürlich völlig unbegründet war. Diese Rhetorik kennt man von aktuellen rechten Mobilisierungen nur zu gut, wenn vom „großen Austausch“ oder dem „Untergang des Abendlands“ schwadroniert wird. Der Bund löste sich 1919 auf, als das Frauenwahlrecht in Deutschland umgesetzt wurde, konstituierte sich aber kurze Zeit später in völkisch-antisemitischer Manier als Bund zur Volkserneuerung neu. Die Historikerin Ute Planert zeigt auf, dass sich personelle Kontinuitäten von diesem Bund zur völkischen Bewegung und späteren NationalsozialistInnen erkennen lassen. Sie bezeichnet Antifeminismus daher auch als protofaschistische Bewegung.
Antifeminismus als verbindende Ideologie
Aktuell haben wir eine ähnlich ambivalente Situation wie Ende des 19. Jahrhunderts. Auf der einen Seite werden rechte Bewegungen in Europa, den USA, aber auch Brasilien und anderen Teilen der Welt immer einflussreicher. Dadurch werden stets die Rechte von Frauen* und LSBTQIA*-Personen eingeschränkt. In Österreich zeigt sich das an der Streichung der Gelder für Gleichstellung und Frauenhäuser, in Ungarn werden Gender Studies praktisch verboten. In Mailand trafen sich im Frühjahr 2019 zahlreiche antifeministische FundamentalistInnen, die das Ziel verfolgen, das Recht der Frauen* über ihren Körper weiter einzuschränken. Dies hat weitreichende Konsequenzen. So werden in zahlreichen Ländern, zuletzt besonders deutlich in den USA, die Gesetze für Schwangerschaftsabbrüche verschärft. Nebenbei gewinnen Burschenschaften, der Inbegriff des institutionalisierten Sexismus, gesellschaftlich und politisch wieder an Einfluss und weisen insbesondere in Österreich enge Verbindungen zu Regierungsverantwortlichen auf.
Auf der anderen Seite ist, glücklicherweise und dank jahrelanger feministischer und LSBTQIA*-Kämpfe, eine gesellschaftliche und rechtliche Liberalisierung zu beobachten: Auch die letzten westlichen Staaten führen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein, zunehmend gibt es in westlichen Ländern die Möglichkeit, weitere Geschlechtsidentitäten als „männlich“ und „weiblich“ einzutragen, Feminismus gilt als positiver Bezugspunkt (Beyoncé, Emma Watson), Vergewaltiger stolpern durch die #MeToo-Debatte zum Teil über ihre Taten, parallel zu Christopher-Street-Day-Paraden werden an vielen Rathäusern der austragenden Städte Regenbogenfahnen gehisst und Personen wie Conchita Wurst, die in ihrer öffentlichen Performance Zweigeschlechtlichkeit infrage stellt, erlangen internationalen Erfolg.
Dass Antifeminismus und feministische Errungenschaften parallel auftreten, ist kein Zufall. Denn feministische und LSBTQIA*-Bewegungen stellen mit ihren Forderungen Heteronormativität, Sexismus und teilweise generell das Patriarchat in Frage. Im besten Fall fordern Feminist*innen ein universal gutes Leben für alle und konnten dies, zwar noch längst nicht für alle und auch nicht überall, aber schon für viele ein besseres erreichen. Wenn nun mehr Menschen der Zugang zu Bildung, Erwerbsarbeit, Hedonismus und weiteren Bereichen offener steht, attackiert dies indirekt die Vormachtstellung des alten, weißen cis Mannes. Aus Angst um ihre Vormachtstellung bilden sich antifeministische Allianzen, die oft eine Bindegliedfunktion für konservative, christlich-fundamentalistische, und (extrem) rechte AkteurInnen übernehmen. Denn auch wenn man sich in einigen Punkten nicht einig ist, so ist das Festhalten am Patriarchat mit all seinen Konsequenzen ein verbindendes Element. In diesem Sinne ist auch bei der Ibiza-Affäre auffällig, dass Heinz-Christian Strache bei seiner Rücktrittserklärung auf männerbündische Narrative zurückgriff, indem er auf seine Trunkenheit und vor allem das Ziel eine attraktive Frau zu beeindrucken verwies. Dies erinnert stark an maskulinistische Gruppierungen, denen es in patriarchalen Zeiten gelingt, einen männlichen Opfermythos zu bedienen, in dem sie erklären, dass Männer aufgrund des Feminismus benachteiligt seien und keine „echten Männer“ mehr sein dürften.
Den antifaschistischen Kern feministischer Inhalte ins Zentrum setzen
Um zu verhindern, dass sich Geschichte wiederholt und Antifeminismus wieder dem Faschismus Vorschub leistet, ist es wichtig den antifaschistischen Kern feministischer Bewegungen zu erkennen. Ganz im Sinne von „(auch) das private ist politisch“, sollte neben Protesten auf der Straße auch die Förderung der Vielfaltsakzeptanz in Kitas und weiteren Bildungseinrichtungen, das Anprangern von sexistischer Unternehmenskultur und sexistischen Ausbeutungsverhältnissen, die Sichtbarmachung feministischer Errungenschaften und noch vieles weitere, als feministischer und antifaschistischer Widerstand betrachtet werden. Denn eine plurale, vielfältige und komplexe Gesellschaft, die Hierarchien und Ausbeutung infrage stellt, ist nicht anschlussfähig für faschistische Ideen.